Der dunkle Fluss
persönlichere Art von Emotion, von Kränkung durchzogen. Was sie anging, hatte ich eine Grenze überschritten, und das hatte nichts zu tun mit dem Gesetz oder mit dem, was ich tat. Es ging um das, was ich nicht tat. Ich hatte sie nicht angerufen. Ich hatte ihr nicht vertraut. Und wieder sah ich den Gefahren dieser Wechselbeziehung ins Auge.
Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Jetzt musste sie sich fragen, wie die meine aussah.
Ich beobachtete, wie Grantham schmorte, während die Sonne immer höher stieg und die Ortspolizei die Ermittlungen führte, wie sie es für richtig hielt. Cops gingen in dem Trailer ein und aus. Der Gerichtsmediziner trat auf, und der Morgen verschwand in schwüler Hitze. Sie trugen Zebulon Faith in einem mattschwarzen Leichensack heraus. Der lange Wagen fuhr ab, und der Tag zog sich hin. Keiner von den Leuten, die innerhalb der Straßenschleife wohnten, zeigte sich. Keine Zuschauer. Keine zurückgeschlagenen Gardinen. Sie zogen die Köpfe ein und versteckten sich, als lebten sie illegal hier. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. An Orten wie diesen pflegte die Polizei keinen Gemeindekontakt. Wenn sie auftauchte, tat sie es aus einem Grund, und der war niemals erfreulich.
Die harten Fragen kamen noch früh genug, und sie kamen von Grantham. Seine Wut war zu farbloser Unversöhnlichkeit verblasst, und als die Ortspolizei ihm grünes Licht gab, mit uns zu reden, war er der Inbegriff der Professionalität. Ich sah ihn kommen und wusste, was bevorstand. Er würde uns getrennt in die Mangel nehmen und nach Löchern in unserer Geschichte suchen. Zebulon Faith war tot. Sein Sohn ebenfalls. Ich hatte mit beiden in der Vergangenheit zu tun gehabt, und ich war beide Male als Erster am Schauplatz gewesen, als die Leichen gefunden wurden. Er zweifelte an Dolfs Geständnis und war bereit, mich mit der Kettensäge zu zerfetzen. Doch er würde auf der Hut sein. Ich hatte meine Erfahrungen mit Polizisten und ihren Fragen, deshalb würde er besonders geschickt vorgehen. Da war ich ganz sicher.
Aber er überraschte mich.
Er kam geradewegs auf mich zu und sprach schon, bevor er stehen blieb. »Ich möchte sehen, was in Ihrem Kofferraum ist«, sagte er.
Jamie zuckte zusammen, und Grantham sah es. »Warum?», fragte ich.
»Weil Sie seit sechs Stunden draufsitzen. In der Sonne. Ohne sich von der Stelle zu rühren. Und Ihr Bruder hat im Laufe der letzten Stunde neunmal hingeschaut. Ich möchte sehen, was drin ist.«
Ich musterte den Detective. Er trat anmaßend auf, aber das war ein Bluff. Ich hatte ihn nämlich auch beobachtet. In den sechs Stunden hatte er mindestens ein Dutzend Anrufe getätigt. Wenn es ihm gelungen wäre, einen Durchsuchungsbeschluss für meinen Kofferraum zu erwirken, hätte er ihn inzwischen in der Hand gehabt.
»Ich glaube nicht, dass ich es Ihnen zeigen möchte.«
»Zwingen Sie mich nicht, Sie noch einmal zu bitten.«
»Aber das ist das richtige Wort, nicht wahr? Bitten. Wie in >um Erlaubnis<.« Sein Blick verfinsterte sich, und ich fuhr fort. »Sie brauchen meine Erlaubnis oder einen hinreichenden Tatverdacht. Hätten Sie den, dann hätten Sie einen Durchsuchungsbeschluss. Und meine Erlaubnis gebe ich Ihnen nicht.«
Ich blieb gelassen, doch er verlor die Fassung. Ich sah, wie er um die Beherrschung kämpfte, die er normalerweise als selbstverständlich betrachtete. Robin hielt sich in einiger Entfernung zurück. Ich riskierte einen Blick zu ihr hinüber und sah, dass sie mich warnend anschaute. Grantham trat näher an mich heran, und sein Ton wurde leise und bedrohlich. »Ich werde belogen, Mr. Chase. Von Ihnen, von Mr. Shepherd, zweifellos auch von anderen. Das gefällt mir nicht, und ich werde der Sache auf den Grund kommen.« Ich blieb stehen und sah auf ihn hinab. »Haben Sie Fragen an mich?«
»Das wissen Sie.«
»Dann stellen Sie sie.«
Er richtete sich auf, rang wieder mühsam um Fassung. Es dauerte nicht lange. Er trennte uns voneinander und nahm sich zuerst Jamie vor, führte ihn auf die andere Seite der Lichtung, und ich sah zu. Vermutlich war Jamie aus härterem Holz, als Grantham erwartete. Es dauerte eine Weile; Jamie sah verschreckt aus, aber er hatte sich unter Kontrolle. Er würde alles so erzählen, wie es sich zugetragen hatte, nur ohne das Schrotgewehr. Der Detective war bleich und grimmig, als er zu mir zurückkam. Er stellte seine Fragen schnell und drängend und suchte nach Schwachstellen in unserer Aussage. Warum waren wir hier gewesen? Wie hatten
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