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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Starke Gefühlsregungen gingen von ihr aus, aber sie waren komplex. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich, was ich sagen konnte.
    »Es tut mir leid, Grace.«
    Da presste sie sich an mich, noch immer nass vom Schwimmen. Ihre Arme schlangen sich um meinen Nacken, und sie umklammerte mich mit unvermittelter Heftigkeit. Ihre Hände umfassten mein Gesicht und drückten es, und ihre Lippen drängten sich an meine. Als ihr Mund sich an mein Ohr schmiegte, umschlang sie mich noch fester, sodass ich nicht hätte zurückweichen können, ohne sie gewaltsam wegzustoßen. Ihre Worte waren kaum hörbar, und trotzdem zermalmten sie mich.
    »Ich hasse dich, Adam. Ich hasse dich so sehr, dass ich dich umbringen könnte.«
    Dann wandte sie sich ab und rannte weg, rannte am Ufer entlang und zwischen den Bäumen hindurch, und ihr weißer Bikini blitzte wie der Wedel eines verschreckten Rehs.

VIER
    E inige Zeit später schloss ich die Tür meines Wagens, als könnte ich so die Welt aussperren. Drinnen war es heiß, und das Blut pochte in den Nähten, die meine Haut zusammenhielten. Fünf Jahre lang hatte ich in einem Vakuum gelebt und versucht, das Leben zu vergessen, das ich verloren hatte, doch selbst in der größten Stadt der Welt waren mir auch die hellsten Tage fade geworden.
    Aber nicht hier.
    Ich startete den Motor.
    Alles hier war so verdammt real.
    Als ich wieder in Robins Wohnung war, schnitt ich die Pflaster an meinen Rippen auf und stellte mich unter die prasselnde Dusche, so lange ich es aushielt. Ich suchte das Percocet und nahm zwei Tabletten, überlegte kurz und schluckte noch eine. Dann knipste ich alle Lampen aus und kroch ins Bett.
    Als ich aufwachte, war es draußen dunkel, doch aus der Diele fiel Licht herein. Die Tabletten hatten mich noch im Griff, und so tief ich geschlafen hatte, der Traum hatte mich trotzdem gefunden: eine dunkle Kurve aus roten Spritzern, und eine alte Bürste, zu klobig für kleine Hände.
    Robin stand neben dem Bett, eine dunkle Gestalt vor dem Licht. Sie war sehr still. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. »Das hat nichts zu bedeuten«, sagte sie.
    »Was hat nichts zu bedeuten?«
    Sie knöpfte die Bluse auf und zog sie aus. Etwas anderes hatte sie nicht an. Das Licht strahlte zwischen ihren Fingern und ihren Beinen hindurch. Sie war eine Silhouette, eine Ausschneidepuppe. Ich dachte an die Jahre, die wir miteinander geteilt hatten, und daran, wie nah wir dem Für-immer gekommen waren. Ich wünschte mir, ich könnte ihr Gesicht sehen.
    Als ich die Decke zur Seite schlug, kam sie zu mir, legte sich auf die Seite und schlang ein Bein um mich. »Bist du sicher?«, fragte ich.
    »Nicht reden«, sagte sie.
    Sie küsste meinen Hals unter dem Ohr, bewegte sich herauf, um mein Gesicht zu küssen, dann meinen Mund. Sie schmeckte so, wie ich es in Erinnerung hatte, und fühlte sich auch so an: hart und heiß und gierig. Sie schob sich auf mich, und ich zuckte zusammen, als ihr Gewicht auf meine Rippen drückte. »Sorry«, flüsterte sie und verlagerte ihr ganzes Gewicht auf meine Hüften. Ein Schauer überlief sie. Sie richtete sich über mir auf, und ich sah ihr Profil im Licht aus der Diele, die dunkle Höhlung des Auges und das dunkle Haar, das im Licht glänzte. Sie nahm meine Hände und legte sie auf ihre Brüste.
    »Das hat nichts zu bedeuten«, wiederholte sie, aber sie log, und das wussten wir beide. Die Vereinigung war unmittelbar und total.
    Wie ein Schritt von einer Klippe.
    Wie ein tiefer Fall.
    Als ich wieder erwachte, zog sie sich gerade an.
    »Hey«, sagte ich.
    »Selber hey.«
    »Willst du reden?«, fragte ich.
    Sie schlüpfte in die Bluse und fing an, sie zuzuknöpfen. Sie brachte es nicht über sich, mich anzusehen. »Nicht darüber.«
    »Warum nicht?«
    »Ich musste etwas herausfinden.«
    »Sprichst du von uns?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann so nicht mit dir reden.«
    »Wie, so?«
    »Wenn du nackt bist und in meine Bettdecke verheddert. Zieh dir eine Hose an, und komm ins Wohnzimmer.«
    Ich zog Hose und T-Shirt an und ging hinüber; sie saß mit untergeschlagenen Beinen in einem ledernen Clubsessel. »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Spät.«
    Eine einzige Lampe brannte, und der größte Teil des Zimmers lag im Dunkeln. Robin sah blass und unsicher aus, in ihrem Blick lagen harte graue Schatten. Ihre Finger verschlangen sich ineinander. Ich sah mich im Zimmer um, während sich das Schweigen zwischen uns in die Länge zog. »Und — wie ist es dir

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