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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Erschöpfung und etwas, das aussah wie Zorn.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Nach Mitternacht.«
    Ich bemerkte gleich, was alles nicht in Ordnung war an ihr: den roten Lehm an ihren Schuhen, ein Blatt, das in ihren Haaren hing. Ihr Gesicht war gerötet, und in seinen Mulden waren hellere Flecken. Die Küchenlampe spiegelte sich wie zwei Fünkchen in ihren Augen.
    Irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung.
    »Ich muss dich etwas fragen«, sagte sie.
    Ich beugte mich vor. »Nur zu.«
    Sie setzte sich auf die Kante des Couchtischs. Unsere Knie waren dicht voreinander, aber sie berührten sich nicht. »Hast du Grace heute gesehen?», fragte sie.
    »Ist ihr etwas passiert?« Adrenalin durchströmte mich.
    »Antworte mir einfach, Adam.«
    Meine Stimme war zu laut. »Ist ihr etwas passiert?«
    Wir starrten einander an. Sie zuckte nicht mit der Wimper.
    »Ja«, antwortete ich schließlich. »Ich hab sie auf der Farm gesehen. Unten am Fluss.«
    »Um wie viel Uhr?«
    »Gegen vier. Vielleicht halb fünf. Was ist los, Robin?«
    Sie atmete aus. »Danke, dass du mich nicht angelogen hast.«
    »Warum soll ich dich anlügen? Verdammt, sag mir doch einfach, was los ist. Ist Grace etwas zugestoßen?«
    »Sie ist überfallen worden.«
    »Was soll das heißen ?«
    »Jemand hat sie angegriffen, vielleicht vergewaltigt. Heute Nachmittag, möglicherweise am frühen Abend. Unten am Fluss. Wie es aussieht, hat er sie vom Weg heruntergezerrt. Sie hatten sie gerade gefunden, als sie mich angerufen haben.«
    Ich sprang auf. »Und das hast du mir nicht gesagt?« Robin erhob sich langsamer. Ihre Stimme klang resigniert. »Ich bin zuallererst Polizistin, Adam. Ich konnte es dir nicht sagen.« Ich sah mich um, raffte meine Schuhe zusammen und zog sie an. »Wo ist sie jetzt?«
    »Im Krankenhaus. Dein Vater ist bei ihr. Dolf und Jamie auch. Du kannst jetzt nichts tun.«
    »Scheiß drauf!«
    »Sie steht unter Beruhigungsmitteln. Es ist völlig egal, ob du da bist oder nicht. Aber du hast sie heute Nachmittag gesehen, kurz bevor es passierte. Vielleicht hast du etwas bemerkt oder gehört. Du musst mitkommen.«
    »Grace zuerst.«
    Ich wandte mich zur Tür. Sie legte mir die Hand auf den Arm und hielt mich fest. »Es gibt ein paar Fragen, die beantwortet werden müssen.«
    Ich riss mich los, ignorierte ihren plötzlichen Zorn und spürte, dass mir selbst der Kragen platzte. »Als der Anruf kam, wusstest du schon, dass es sich um Grace handelte. Stimmt's?«
    Sie brauchte nicht zu antworten. Es war offenkundig.
    »Du wusstest, was das für mich bedeuten würde, und du hast mich belogen. Und schlimmer noch, du hast mich auf die Probe gestellt. Du wusstest bereits, dass ich Grace gesehen hatte, und hast mich trotzdem auf die Probe gestellt. Was war's? Hat Jamie dir gesagt, dass ich da war? Dass ich sie am Fluss gesehen habe?«
    »Ich werde mich nicht entschuldigen. Du warst der Letzte, der sie gesehen hat. Ich musste wissen, ob du es mir sagst.«
    »Vor fünf Jahren«, fauchte ich, »hast du mir da geglaubt?«
    Ihr Blick driftete nach links. »Ich wäre nicht bei dir geblieben, wenn ich geglaubt hätte, du hättest diesen Jungen umgebracht.«
    »Und wo ist dieses Vertrauen jetzt? Wo ist dein gottverdammter Glaube?«
    Sie sah, wie wütend ich war, aber sie verzog keine Miene. »Es ist mein Beruf, Adam. Es ist das, was ich bin.«
    »Blödsinn, Robin.«
    »Adam —«
    »Wie konntest du so was auch nur denken?«
    Brüsk wandte ich mich ab. Sie hob die Hand, um mich zum Bleiben zu bewegen, aber ich konnte es nicht. Ich stürmte durch die offene Tür hinaus, und dann war ich draußen in der undurchdringlichen Nacht, die sich über so vollkommene Trümmer breitete.

SECHS
    E s war nur eine kurze Fahrt, vorbei an der Episkopalkirche und dem alten englischen Friedhof. Am Wasserturm bog ich nach links und ignorierte die einstmals prachtvollen Häuser, die jetzt verwahrlost und in Billigapartments aufgeteilt worden waren, und dann war ich im medizinischen Viertel mit seinen Arztpraxen, Apotheken und den voll verglasten Geschäften für orthopädische Schuhe und Gehhilfen. Ich stellte den Wagen auf dem Parkplatz vor der Notaufnahme ab und ging auf die Flügeltür zu. Der Eingang war beleuchtet, alles andere lag im Dunkeln. Ich sah eine Gestalt, die daneben an der Wand lehnte, und den Lichtpunkt einer glimmenden Zigarette. Ich schaute nur kurz hin. Jamies Stimme war eine Überraschung.
    »Hey, Bruder.« Er nahm einen letzten Zug und schnippte den Stummel auf

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