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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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ergangen?«, fragte ich schließlich.
    Robin stand auf. »Ich kann das nicht. Ich kann keinen Smalltalk mit dir machen, als ob wir uns vorige Woche zuletzt gesehen hätten. Es waren fünf Jahre, Adam. Du hast weder angerufen noch geschrieben. Ich wusste nicht, ob du lebst oder tot bist, ob du verheiratet bist oder noch solo. Nichts.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Und trotz all dem habe ich mein Leben nicht weitergelebt. Trotzdem gehe ich hier mit dir ins Bett — und willst du wissen, warum? Weil ich weiß, dass du wieder gehen wirst, und weil ich herausfinden musste, ob es noch da ist zwischen uns. Denn wenn nicht, wäre alles okay für mich. Nur, wenn es nicht mehr da wäre.«
    Sie verstummte und wandte das Gesicht zur Seite, und ich verstand. Sie hatte ihre Deckung verlassen, und jetzt tat es weh. Ich stand auf. Ich wollte verhindern, was jetzt kommen würde, aber sie sprach über mich hinweg.
    »Sag nichts, Adam. Und frag mich nicht, ob es weg ist, denn ich sage es dir.« Sie drehte sich zu mir um und log zum zweiten Mal. »Es ist weg.«
    »Robin ...«
    Sie schob die Füße in ein Paar Laufschuhe, ohne sie zuzubinden, und griff nach ihrem Schlüsselbund. »Ich gehe jetzt ein bisschen laufen. Pack deine Sachen zusammen. Wenn ich wiederkomme, suchen wir dir ein Hotel.«
    Sie schlug die Tür hinter sich zu, und ich setzte mich, eingeschüchtert von der Gewalt der Leidenschaften, die sich im Kielwasser meiner Flucht in den Norden aufgestaut hatten.
    Als sie zwanzig Minuten später zurückkam, hatte ich geduscht, mich rasiert und trug alles, was ich besaß, am Leib, oder es lag im Auto. Ich erwartete sie im Hausflur an der Tür. Sie war erhitzt. »Ich habe ein Zimmer im Holiday Inn gefunden«, sagte ich. »Aber ich wollte nicht gehen, ohne mich zu verabschieden.«
    Sie schloss die Tür und lehnte sich dagegen. »Moment noch«, sagte sie. »Ich muss mich bei dir entschuldigen.« Pause. »Hör zu, Adam. Ich bin Polizistin, und dabei geht es nur darum, die Kontrolle zu behalten. Verstehst du? Es geht um Logik, und darin habe ich mich geübt, seit du weg warst. Etwas anderes hatte ich nicht mehr.« Sie atmete tief aus. »Was ich da vorhin gesagt habe — da sind fünf Jahre, in denen ich alles unter Kontrolle hatte, in weniger als einer Minute den Bach hinuntergegangen. Das hast du nicht verdient. Du verdienst aber auch nicht, mitten in der Nacht auf die Straße gesetzt zu werden. Dazu ist es morgen noch früh genug.«
    Sie sagte es ohne Ironie.
    »Okay, Robin. Wir reden. Ich hole nur meine Tasche herauf. Hast du Wein?«
    »Ein bisschen.«
    »Wein wäre ganz nett«, sagte ich und ging hinaus, um meine Sachen zu holen. Der Himmel breitete sich über mir aus, tief und schwarz, hochgehalten von den Lichtern einer kleinen Stadt. Ich versuchte zu ergründen, was ich für Robin und das, was sie gesagt hatte, empfand. Alles ging so schnell, und dabei war ich dem, was ich hier gewollt hatte, noch keinen Schritt nähergekommen.
    Ich ließ meine Tasche in der Diele fallen und ging zum Wohnzimmer. Ich hörte Robins Stimme und sah, dass sie mit ihrem Handy telefonierte. Sie hob die Hand, und ich blieb stehen. Ich begriff, dass etwas nicht stimmte. Es stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Okay«, sagte sie. »Ich bin in einer Viertelstunde da.«
    Sie klappte das Handy zu, griff nach dem Schulterhalfter mit ihrer Dienstwaffe und streifte es über. »Was ist?«, fragte ich. Ihr Gesichtsausdruck war plötzlich verschlossen. »Ich muss los«, sagte sie nur.
    »Was Ernstes?«
    Sie kam auf mich zu. Ich spürte die Veränderung in ihre, das jähe Aufsteigen eines unbeirrbaren Intellekts. »Ich kann nicht darüber sprechen, Adam, aber ich nehme es an, ja.« Ich wollte etwas sagen, doch sie schnitt mir das Wort ab. »Ich möchte, dass du hierbleibst. Am Telefon.«
    »Gibt es ein Problem?« Plötzlich war ich misstrauisch. Da war etwas in ihrem Blick. »Ich will nur wissen, wo ich dich finde«, sagte sie. »Das ist alles.«
    Ich versuchte, ihren Blick zu halten, aber sie schaute weg. Ich wusste nicht, was los war, doch eines wusste ich: Dies war ihre dritte Lüge heute Nacht. Ich hatte keine Ahnung, worum es ging, aber es konnte nichts Gutes sein. »Dann bleibe ich hier«, sagte ich.
    Sie ging.
    Ohne Kuss. Ohne ein Abschiedswort.
    Ganz dienstlich.

FÜNF
    I ch streckte mich auf dem Sofa aus, aber an Schlaf war nicht zu denken. Als Robin die Tür öffnete, richtete ich mich auf. Ich sah Anspannung in ihrem Gesicht,

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