Der dunkle Fluss
davon überzeugt gewesen, dass weder mein Vater noch ich den Selbstmord meiner Mutter ohne Dolf überlebt hätte. Er hatte uns zusammengehalten, und ich spürte immer noch das Gewicht seiner Hand auf meiner schmalen Schultern in den schweren Tagen, nachdem die Welt in einem Blitz mit Rauch und Donner verschwunden war.
Ich betrachtete sein unebenes Gesicht mit den kleinen blauen Augen und den weiß überstäubten Brauen. Er tätschelte mein Knie und lehnte den Kopf an die Wand. Im Profil sah er aus, als sei er aus einem Brocken Dörrfleisch geschnitzt.
»Dein Vater ist ein leidenschaftlicher Mann, Adam. Was er tut, kommt aus dem Augenblick, aber meistens beruhigt er sich wieder und sieht die Dinge anders. Gray Wilson wurde ermordet, und Janice hat gesehen, was sie gesehen hat. Jetzt bist du zurückgekommen, und jemand hat Grace etwas getan. Er wird darüber hinwegkommen.«
»Glaubst du wirklich, mit Worten lässt sich das in Ordnung bringen?«
»Ich glaube nicht, dass du etwas Böses getan hast, Adam. Und wenn dein Vater klar denken könnte, würde er es auch so sehen. Du musst begreifen, als Grace zu mir kam, hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte. Meine Frau hatte mich verlassen, als unsere eigene Tochter noch sehr klein war. Ich hatte von nichts eine Ahnung. Dein Vater hat mir geholfen. Er fühlt sich verantwortlich.« Er spreizte die Hände. »Er ist stolz, und wer stolz ist, zeigt seine Verletzungen nicht. Er schlägt um sich. Er tut Dinge, die er später bereut.«
»Das ändert nichts.«
Dolf schüttelte den Kopf. »Wir alle bereuen manchmal etwas. Ich. Du. Aber je älter wir werden, desto mehr schleppen wir mit uns herum, und die Last kann einen Mann zerbrechen. Mehr will ich nicht sagen. Gib deinem Alten Herrn eine Chance. Er hat nie geglaubt, dass du diesen Jungen umgebracht hast, doch er konnte nicht ignorieren, was seine eigene Frau sagte.«
»Er hat mich aus dem Haus gejagt.«
»Und er hat es wiedergutmachen wollen. Ich weiß nicht mehr, wie oft er dich anrufen oder dir schreiben wollte. Einmal hat er mich sogar gefragt, ob ich mit ihm nach New York fahre. Er meinte, es gebe etwas zu sagen, und nicht alles könne man dem Papier anvertrauen.«
»Wollen ist nicht dasselbe wie tun.«
»Das ist wahr.«
Ich dachte an das leere Blatt, das ich auf dem Schreibtisch gefunden hatte. »Was hat ihn daran gehindert?«
»Sein Stolz. Und deine Stiefmutter.«
»Janice.« Der Name kam mir nur mühsam über die Lippen. »Sie ist eine anständige Frau, Adam. Eine liebevolle Mutter. Sie ist gut für deinen Vater. Das glaube ich trotz allem, genauso wie sie glaubt, was sie in jener Nacht gesehen hat. Ich kann dir sagen, dass diese fünf Jahre auch für sie nicht leicht waren. Aber hatte sie eine Wahl? Wir alle halten uns an das, was wir glauben.«
»Soll ich ihm verzeihen?«, fragte ich.
»Du sollst ihm eine Chance geben.«
»Seine Loyalität sollte mir gehören.«
Dolf seufzte. »Seine Familie besteht nicht nur aus dir, Adam.«
»Aber ich war zuerst da.«
»So läuft das nicht. Deine Mutter war schön, und er hat sie angebetet. Doch als sie starb, haben sich die Dinge geändert. Vor allem du hast dich verändert.«
»Ich hatte meine Gründe.«
Ein plötzliches Schimmern trat in Dolfs Augen. Die Art ihres Todes hatte uns alle schwer getroffen. »Er hat deine Mutter geliebt, Adam. Als er wieder heiratete, hat er es nicht leichtfertig getan. Gray Wilsons Tod hat ihn in eine Zwickmühle gebracht. Er musste entscheiden, ob er dir glauben sollte oder seiner Frau.
Glaubst du, so etwas ist einfach? Glaubst du, das birgt keine Gefahren in sich? Du musst versuchen, es so zu sehen.«
»Heute gibt es diesen Konflikt nicht. Was ist mit heute?«
»Heute ist es ... kompliziert. Einmal das zeitliche Zusammentreffen. Dann das, was Grace gesagt hat.«
»Was ist denn mit dir? Ist es heute kompliziert für dich?« Dolf drehte sich zu mir um und sah mich mit seinen derben Zügen und seinem festen Blick an. »Ich glaube, was Grace sagt, aber ich kenne auch dich. Deshalb weiß ich nicht genau, was ich glauben soll, aber ich bin sicher, es wird sich alles aufklären.« Er schaute wieder weg. »Meistens bezahlt der Sünder für seine Sünden.«
Ich betrachtete sein grob geschnittenes Gesicht, die aufgesprungenen Lippen und die schweren Lider, die seinen Schmerz nur unvollkommen verhüllten. »Das glaubst du ehrlich?«, fragte ich.
Er blickte hinauf zu den summenden Leuchtstoffröhren, und ein heller grauer Glanz legte
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