Der dunkle Fluss
weit entfernt war. Sie schaute auch nicht weg, als das Kanu an der Seite des Stegs anlegte.
Ich nahm ihr die Leine ab und vertäute sie an einem Pflock. Sie legte das Paddel ins Boot und betrachtete mich. »Hallo, Adam«, sagte sie.
»Kenne ich Sie?«
Sie ließ kleine Zähne aufblitzen. »Nein.« Sie wedelte mit der Hand. »Jetzt treten Sie zurück.« Sie legte die Hände auf die Kante des Stegs und stemmte sich hoch, drehte sich dabei um, sodass sie sich auf den Rand setzen konnte. Ihre Beine hingen herab, dürre, leblose Stöcke in einer weiten Jeans, die an manchen Stellen sandfarben abgewetzt war. Ich sah verdorrte Haut an den Fußknöcheln.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ich.
»Natürlich nicht.« Ärger knisterte in ihrer Stimme, was sie wie ihre Mutter klingen ließ. Sie schob sich rückwärts über den Steg, und ihre Beine rutschten leblos hinter ihr her. Sie packte die Armlehnen des Rollstuhls und zog sich auf den Sitz hinauf. Sie umfasste das eine Bein und richtete dann ihren Scheinwerferblick auf mich. »Gibt keinen Grund, mich anzustarren, junger Mann.«
»Verzeihung«, sagte ich und hielt Ausschau nach irgendetwas Interessantem am anderen Ufer. Ich spürte sie hinter mir, wie sie ihre Beine und Füße ordnete.
»Na, es schadet wohl nichts. Ich sehe nicht so oft Leute. Manchmal vergesse ich, dass es da etwas anzustarren gibt.«
»Mit dem Kanu können Sie besser umgehen als die meisten.«
»Es ist das einzige wirkliche Training, das ich habe. So, jetzt ist es besser.« Ich drehte mich um. Sie hatte sich im Rollstuhl niedergelassen. »Gehen wir hinauf zum Haus.« Ihre Hände umfassten die Radringe, und sie wendete, ohne auf meine Antwort zu warten. Mit kraftvollen, kurzen Stößen trieb sie den Rollstuhl den Hang hinauf. Bei der Blockhütte bog sie nach hinten ab. »Da ist die Rampe«, sagte sie. Drinnen steuerte sie den Kühlschrank an und nahm einen Krug heraus. »Tee?«
»Gern.«
Ich sah, wie sie mit sparsamer Präzision hantierte. Gläser in niedrigen Schränken. Eis aus einem separaten Gefrierschrank. Ich blickte mich in der Hütte um. Das große Zimmer wurde von einem aus Feldsteinen gemauerten Kamin beherrscht. Die Steine waren braun und unregelmäßig; wahrscheinlich stammten sie aus der Erde hinter den Bäumen. Der Raum war spartanisch eingerichtet und sauber. Sie reichte mir ein Glas. »Zucker kann ich nicht ausstehen«, sagte sie.
»Das ist okay.« Sie rollte zur Vordertür und sprach über die Schulter hinweg. »Haben Sie Ken gesehen, als Sie gekommen sind?« Wir gingen hinaus. Ich setzte mich in einen Sessel und trank einen Schluck Tee. Er schmeckte rau und bitter. »Interessanter Mann.«
»Früher hat er mehr Geld gemacht, als Sie sich vorstellen können. Manchmal ein siebenstelliges Jahreseinkommen. Dann hat sich etwas verändert. Er hat alles seinen Kindern gegeben und mich gefragt, ob er für eine Weile hier draußen wohnen könnte. Das war vor sechs Jahren. Das Kanu war seine Idee.«
»Eine ungewöhnliche Behausung.«
»Der Bus war da, als ich das Grundstück gekauft habe. Ich habe selbst darin gewohnt, bis die Hütte stand.« Sie hob die Hand und zog einen Joint aus der Tasche ihrer Bluse, zündete ihn mit einem billigen Feuerzeug an, sog den Rauch tief ein und ließ ihn zwischen ihren hellrosa Lippen wieder herausfließen. Sie bot mir den Joint an, und ich lehnte ab. »Wie Sie wollen«, sagte sie und nahm noch einen Zug; sie atmete in mehreren kurzen Zügen ein und biss die Zähne zusammen, bevor sie ausatmete.
Sie rutschte ein kleines Stück im Rollstuhl herunter und schaute zufrieden hinaus in die helle Welt. »Sie kennen Grace?«, fragte ich.
»Ein prächtiges Mädel. Wir unterhalten uns ab und zu.«
»Verkaufen Sie ihr Gras?«
»Du liebe Güte, nein. Ich würde diesem Mädel niemals Gras verkaufen. Nicht in einer Million Jahren.« Sie nahm einen Zug und sprach dann mit gepresster Stimme weiter. »Ich schenke es ihr.« Ein Lachen erschien auf ihrem Gesicht. »Ach, jetzt gucken Sie nicht so ernst. Sie ist alt genug, um selbst zu wissen, was sie will.«
»Sie ist neulich überfallen worden, wissen Sie. Gleich nachdem Sie sie das letzte Mal gesehen haben.«
»Überfallen?«
»Übel verprügelt. Eine halbe Meile südlich vom Steg. Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht etwas gesehen haben. Einen Mann mit einem Boot oder auf dem Pfad. Irgendetwas.« Das Lachen verschwand, und ihr Blick wurde finster. »Geht es ihr gut?«
»Bald wieder. Sie ist im
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