Der dunkle Fluss
Yates stand in der zweiten Spalte. Aber ich hatte nicht vor, sie anzurufen.
Ich fuhr in das historische Viertel und parkte im Schatten hundertjähriger Bäume. Das Haus bestand aus hohen Säulen, schwarzen Fensterläden und Glyzinenranken, so dick wie mein Handgelenk. Die Haustür war mit dem Lack von zweihundert Jahren gepanzert, und der Türklopfer hatte die Form eines Schwanenkopfes. Als die Tür sich öffnete, war es, als bewege sich die Wand. Der Spalt, der sich auftat und dann verbreiterte, war mindestens drei Meter hoch; die Frau, die dahinter erschien, war eher eins fünfzig. Der Duft von getrockneten Orangenschalen wehte zu mir heraus.
»Kann ich Ihnen helfen?« Der Rücken der Frau war vom Alter gebeugt, aber ihre Züge waren klar und scharf. Dunkle Augen musterten mich. Sie trug leichtes Make-up und hatte weißes, lackiert glänzendes Haar. Fünfundsiebzig, schätzte ich, schlank, in einem maßgeschneiderten Kostüm. Diamanten blitzen an den Ohren und am Hals, und hinter ihr erstreckte sich ein antiker Seidenläufer in eine Welt des großen Geldes.
»Guten Morgen, Ma'am. Mein Name ist Adam Chase.«
»Ich weiß, wer Sie sind, Mr. Chase. Ich bewundere Ihren Vater für das, was er tut, um diese Stadt vor der Habgier und Kurzsichtigkeit anderer zu schützen. Wir brauchen mehr Männer wie ihn.«
Einen Augenblick lang war ich perplex über ihre Offenheit. Nicht viele Frauen würden dastehen und mit einem Mann plaudern, der wegen Mordes vor Gericht gestanden hatte. »Es tut mir leid, dass ich Sie störe, aber ich suche eine Frau namens Sarah Yates. Ich dachte, vielleicht wohnt sie hier.«
Die Freundlichkeit verschwand aus ihrem Gesicht. Der Blick der dunklen Augen verhärtete sich, und die Zähne verschwanden.
Ihre Hand wanderte an der Tür hinauf. »Hier gibt es niemanden, der so heißt.«
»Aber Ihr Name —«
»Mein Name ist Margaret Yates.« Sie schwieg einen Moment, und ihre Lider flatterten. »Sarah ist meine Tochter.«
»Wissen Sie —«
»Ich habe seit über zwanzig Jahren nicht mehr mit Sarah gesprochen.«
Sie fing an, sich gegen die Tür zu lehnen. »Ma'am, bitte. Wissen Sie, wo ich Sarah finden kann? Es ist wichtig.«
Die Tür bewegte sich nicht weiter. Sie schürzte die trockenen Lippen. »Was wollen Sie von ihr?«
»Jemand, der mir nahesteht, ist überfallen worden. Möglicherweise hat Sarah etwas gesehen, das mir helfen könnte, den zu finden, der es getan hat.«
Mrs. Yates überlegte kurz und machte dann eine unbestimmte Handbewegung. »Zuletzt habe ich gehört, sie sei in Davidson County. Auf der anderen Seite des Flusses.«
Wenn ich auf der Red Water Farm einen Pfeil abgeschossen hätte, wäre er auf dem anderen Ufer in Davidson County gelandet. Aber das County war groß. »Haben Sie eine Ahnung, wo?«, fragte ich. »Es ist mir wirklich wichtig.«
»Wenn diese Veranda der leuchtende Mittelpunkt der Welt wäre, Mr. Chase, dann hätte Sarah den Ort gefunden, der am weitesten davon entfernt ist.« Ich öffnete den Mund, doch sie schnitt mir das Wort ab. »Den dunkelsten, entlegensten Ort.« Sie trat einen Schritt zurück.
»Soll ich ihr etwas ausrichten?«, fragte ich. »Falls ich sie finde.«
Die kleine Gestalt sank in sich zusammen, und eine Gefühlsregung, so sanft und kurz wie der Flügelschlag einer Motte, huschte über ihr Gesicht. Dann straffte sich das Rückgrat, und die Augen blickten auf, glashart und fest. Bläuliche Adern schwollen unter der papierdünnen Haut, ihre Stimme klang wie brennendes Gras. »Es ist nie zu spät für Reue. Das können Sie ihr sagen.«
Sie drang auf mich ein, und ich wich zurück; sie folgte mir heraus, mit erhobenem Finger und dem Leuchten des Wahnsinns im Blick.
»Sagen Sie ihr, sie soll unseren Herrn Jesus um Vergebung anflehen.«
Ich erreichte die Treppe.
»Sagen Sie ihr«, rief sie, »das Feuer der Hölle brennt ewig.«
Irgendeine unergründliche Gefühlswallung überflutete ihr Gesicht, und sie richtete den Zeigefinger auf mein rechtes Auge. Die Flammen in ihrer Stimme knisterten noch einmal und erstarben dann. »Das sagen Sie ihr.«
Sie wandte sich zu dem weiten Maul der Tür um, und als es sie einatmete, war sie eine viel ältere Frau.
Ich fuhr durch schattige kleine Straßen und ließ die gesicherten Mauern hinter mir. Die dichten Rasenflächen blieben zurück, und an ihre Stelle trat Unkraut und nackte Erde, als ich die arme Seite der Stadt erreichte. Die Häuser wurden niedriger, schmaler und verwitterter, dann lag auch das
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