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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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an.«
    »Sag ihm, er soll schleunigst kommen.« Wir gingen hinaus und in Richtung Parkplatz. »Ich möchte, dass du noch etwas tust.«
    »Was denn?«
    Ich blieb stehen, und er tat es auch. »Ich will mit Janice sprechen. Unter vier Augen. Ich will, dass etwas passiert.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Sie hat in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung gegen mich ausgesagt. Wir haben nie darüber gesprochen. Ich finde, wir müssen es hinter uns bringen. Und sie wird dieses Gespräch nicht führen wollen.«
    »Sie hat Angst vor dir, Junge.« Mein vertrauter Zorn erwachte. »Und wie, glaubst du, geht es mir damit?«
    Als ich wieder im Wagen saß, holte ich den Plastikbeutel mit der Postkarte hervor. Danny war nie nach Florida gekommen, da war ich ziemlich sicher. Ich betrachtete das Foto auf der Karte. Der Sand war zu weiß, um echt zu sein, und das Wasser so rein, dass es Sünden wegwaschen konnte.
    MANCHMAL IST ES EINFACH RICHTIG.
    Wahrscheinlich hatte der Mörder von Danny Faith diese Postkarte abgeschickt, um seine Tat zu verbergen. Gut möglich, dass Fingerabdrücke auf der Karte waren. Zum hundertsten Mal fragte ich mich, ob ich Robin davon erzählen sollte. Noch nicht, entschied ich. Hauptsächlich um ihretwillen nicht. Aber es war mehr als das. Aus unbekannten Gründen hatte jemand Danny Faith ermordet. Jemand hatte eine Waffe auf ihn gerichtet und abgedrückt, hatte Danny hochgehoben und in dieses tiefe, dunkle Loch geworfen.
    Bevor ich zur Polizei ging, musste ich wissen, wer das gewesen war.
    Nur für den Fall, dass es jemand war, den ich liebte.
    Wir versammelten uns auf der Veranda, wir alle, und obwohl der Whiskey teuer war, schmeckte er so dünn und falsch wie die beruhigenden Worte, die wir wechselten. Keiner von uns glaubte, dass alles bald wieder in Ordnung sein würde, und wenn die Unterhaltung versiegte, was sie oft tat, sah ich nackte Gesichter in den harten Strahlen einer hellen, untergehenden Sonne.
    Dolf zündete sich eine Zigarette an, wobei Tabak auf sein Hemd krümelte. Er schnippte die kleinen feuchten Bröckchen völlig gleichgültig weg, aber seine größeren Sorgen trug er wie seine Stiefel — als wäre er ohne sie verloren. In dieser Hinsicht hätte mein Vater sein Bruder sein können. Sie waren verschlissen, alle beide. Wundgescheuert.
    George Tallman beobachtete meine Schwester, als könne jederzeit ein Stück von ihr abfallen und er müsse überaus wachsam und schnell sein, um es aufzufangen, bevor es am Boden zerbrach. Er hielt sie fest im Arm und beugte sich vor, wenn sie etwas sagte. Hin und wieder schaute er meinen Vater an, und dann lag Anbetung in seinem Blick.
    Jamie saß düster neben einer Reihe leerer Flaschen. Seine Mundwinkel waren herabgezogen, harte Schatten lagen um seine Augen. Er sprach nur selten und dann leise grollend. »Es ist nicht fair«, knurrte er einmal, und ich dachte, er rede von Grace. Aber als ich nachfragte, schüttelte er nur den Kopf und setzte die braune Flasche mit dem ausländischen Bier, das er sich ausgesucht hatte, an die Lippen.
    Auch Janice sah gequält aus. Ihr Nagellack blätterte ab, und unter den hohlen Augen hatte sie dunkle Ringe. Selbst im Laufe des vergangenen Tages war sie weiter verfallen. Sie sprach oft und verkrampft; ihre Worte klangen so brüchig, wie sie aussah. Sie spielte die Rolle, die mein Vater ihr auferlegt hatte, die der Gastgeberin, wobei man ihr zugute halten musste, dass sie sich Mühe gab. Aber es war ein grausamer Anblick, und in den Augen meines Vaters war kein Erbarmen. Er hatte ihr gesagt, was er wollte, und es gefiel ihr nicht. Das stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Ich behielt die lange Zufahrt im Auge und wartete auf eine Staubwolke hinter lackiertem Blech. Ich hoffte, dass der Anwalt als Erster kommen würde, doch ich rechnete jeden Augenblick mit Grantham und seinen Deputys. Ein befreundeter Anwalt hatte mal gesagt, es sei leicht, Rechtsanwälte zu hassen, solange man keinen brauchte. Damals hatte ich das für dummes Gerede gehalten, aber jetzt nicht mehr.
    Jetzt war es eine verdammt geniale Feststellung.
    Der Tag ging zu Ende, während unsere Unterhaltung erstarb. Worte bargen Gefahren, Fallstricke und blinde Flecken, mit denen großer Schaden angerichtet werden konnte. Denn die Realität eines Mordes war mehr als die bloße Vorstellung davon. Es war der halb verweste, klamme Leichnam eines Mannes, den wir alle gekannt hatten. Es waren die Fragen, die sich stellten, die Theorien, die wir alle wälzten und

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