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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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passieren, und es würde hier passieren. Ich schaute noch einmal zum Horizont und erkannte, wie wenige Sekunden mir tatsächlich noch blieben.
    Ich zählte drei Wagen. Mit Blinklichtern, ohne Sirenen.
    Ich sah dem Anwalt in die Augen. »Heute werden Sie Ihr Geld verdienen«, sagte ich. Er war perplex, und ich deutete hinaus. Die Lichter blitzten heller in der Abenddämmerung. Sie waren schon ziemlich nah — vielleicht noch zweihundert Meter. Motorenlärm griff zu uns herüber und berührte uns. Er schwoll an, und um mich herum stand meine Familie auf. Ich hörte das Prasseln von Steinen an Metall, das dumpfe Rattern und Scheppern von Autos, die zu schnell über einen Kiesweg fuhren. Als sie bis auf zehn Sekunden herangekommen waren, stellte der erste Wagen seine Blinklichter ab, und die anderen taten es ihm nach. »Sie kommen mit einem Haftbefehl«, sagte ich.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Überlassen Sie mir das Reden«, sagte der Anwalt, aber ich wusste, er würde nichts tun können. Grantham würde nicht über Feinheiten diskutieren. Er hatte seinen Haftbefehl, und das genügte. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Mein Vater. Er drückte sie fest, doch ich drehte mich nicht um; kein Wort fand den Weg über seine Lippen. »Es wird schon schiefgehen«, sagte ich. Seine Finger spannten sich um meine Schulter.
    So traf Grantham uns an: als lückenlose Front. Er stemmte die Hände in die Hüften, und seine Deputys formierten sich um ihn — eine Wand aus braunem Polyester und schwarzen, schräg um die Taille geschlungenen Gürteln.
    Parks trat von der Veranda herunter, und ich folgte ihm. Dolf und mein Vater kamen zu uns. Der Anwalt sprach als Erster. »Was kann ich für Sie tun, Detective Grantham?«
    Grantham senkte das Kinn und spähte über den Rand seiner Brille hinweg. »Tag, Mr. Templeton.« Er drehte sich leicht zur Seite. »Mr. Chase.«
    »Was wollen Sie?«, fragte mein Vater.
    Ich sah Grantham an; seine Augen glänzten hinter seinen dicken, schmutzigen Brillengläsern. Vier Männer, die einander ausdruckslos anstarrten, und in diesem Moment wusste ich, dass es nicht aufzuhalten war.
    »Ich bin im Namen des Gesetzes hier, Mr. Chase, und ich habe einen Haftbefehl.« Er sah mir ins Gesicht und spreizte die Finger vor sich. »Ich will keinen Ärger.«
    »Ich möchte den Haftbefehl sehen«, sagte Parks.
    »Sofort«, antwortete Grantham, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er hatte nicht eine Sekunde lang weggeschaut.
    »Können Sie was dagegen tun?«, fragte mein Vater den Anwalt leise.
    »Nein.«
    »Verdammt noch mal, Parks.« Er wurde lauter.
    »Unsere Zeit wird kommen, Jacob. Haben Sie Geduld.« Er wandte sich an Grantham. »Ich hoffe, Ihr Haftbefehl ist einwandfrei.«
    »Das ist er.«
    Ich trat vor. »Dann machen Sie schon.«
    »Gern«, sagte Grantham. Die Handschellen kamen zum Vorschein, und er wandte sich ein kleines Stück nach links. »Dolf Shepherd, ich verhafte Sie wegen Mordes an Danny Faith.« Licht blinkte auf Stahl, und als die Fesseln sich um Dolfs Handgelenke schlossen, beugte sich der alte Mann unter ihrer Last.
    Das konnte nicht stimmen. In fast dreißig Jahren hatte ich nie erlebt, dass Dolf im Zorn die Hand oder die Stimme erhoben hätte. Ich stürzte auf ihn zu, und die Deputys drängten mich zurück. Ich rief seinen Namen, und sie zückten die Schlagstöcke. Ich hörte meinen Namen; mein Vater schrie, ich solle mich beruhigen und ihnen keinen Vorwand liefern. Als seine großen, braun gefleckten Hände mich bei den Schultern packten, ließ ich mich zurückreißen und musste zusehen, wie Dolf in einen der Streifenwagen geschoben wurde.
    Die Wagentür schlug zu, die Blinklichter auf dem Dach fingen an zu pulsieren, und ich schloss die Augen, als der Motorendonner meinen Kopf erfüllte.
    Als er verklang, war Dolf nicht mehr da.
    Er hatte nicht ein einziges Mal aufgeblickt.

NEUNZEHN
    I ch rief Robin vom Auto aus an und berichtete ihr, was passiert war. Sie wollte sich mit uns am Gefängnis treffen, aber das lehnte ich ab. Sie steckte jetzt schon zu tief drin. Sie widersprach, und je länger wir diskutierten, desto entschlossener wurde ich. Sie hatte sich entschieden — für mich —, und ich würde nicht zulassen, dass diese Entscheidung ihr schadete. Wir vereinbarten, uns am nächsten Tag zu treffen, wenn ich halbwegs herausgefunden hätte, was zum Teufel hier vorging.
    Dann fuhren wir in die Stadt zum Gefängnis von Rowan County — Parks, Dad und ich. Jamie sagte, er könne es da

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