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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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konnte er die Umrisse von zwei großen, ölgekühlten Transformatoren erkennen. Es war, wie er sich gedacht hatte, bloß eine Verteilerstation. Auf der andern Seite standen auf einem großen Stahlgerüst die Isolatoren und Ölbadschalter für die Stromübernahme von den Freileitungen. Er stieg etwas weiter den Hügel hinauf und hatte nun genaue Übersicht über sämtliche Hochspannungsmasten, die das Tal heraufkamen, bis sie hinter einer Biegung verschwanden.
    Er schaute sich um.
    Massive schneebedeckte Gipfel erhoben sich über den Wiesen und dunkelgrünen Tannenwäldern und warfen lange Schatten auf die sonnenbeschienenen Hänge. Da und dort konnte er Schäferhütten ausmachen. Ihre Mauern hoben sich fast nicht ab von dem graubraunen Hintergrund, aus dessen Steinen sie gebaut waren. Er sah auch Bergbäche, die sich zum Kuder hinabstürzten und wie weißer Rauch aussahen. Aber es blieb ihm keine Zeit, die majestätische Schönheit des Kudertals zu bewundern. Er mußte den Masten nachgehen.
    Er wandte sich um und kehrte in die Stadt zurück. Es war jetzt ungefähr elf Uhr. Er kaufte sich etwas Proviant für seinen Ausflug und eine Flasche Rotwein und zog los.
    Eine Stunde lang hielt er sich auf der Straße, die neben dem Fluß durchs Tal führte und von wo aus er die Masten gut sehen konnte. Das Tal beschrieb eine Reihe von S-Kurven. Die Überlandleitungen, die auf dem kürzesten Weg von einem Ende einer S-Kurve zum andern liefen, kreuzten das Tal wieder und wieder, stiegen manchmal fünfhundert Fuß und mehr den Berg hinauf und senkten sich dann wieder fast bis zum Fluß hinunter. Wären die Abhänge des Tales regelmäßig gewesen und der Weg der Leitung konstant, so hätte er den Masten von der Straße aus folgen können. So aber zwang schon bald ein riesiger Felsvorsprung die Leitung, auszuweichen. Sie stieg scharf an und verschwand hinter einem Tannengürtel.
    Carruthers blieb stehen und studierte den Abhang. Etwa hundert Meter weiter vorn führte ein Pfad aufwärts. Es war ein holpriger Pfad, etwa einen halben Meter breit und offensichtlich wenig begangen, aber er führte in die richtige Richtung. Carruthers stieg bergan.
    Schnell fand er heraus, daß Tweed bei warmem Wetter nicht die ideale Bekleidung für eine Bergbesteigung ist, denn zu einer solchen wurde sein Unternehmen schon bald. Der Pfad ging fast senkrecht hinauf, und lockere Erde und der Proviant samt Rotweinflasche hinderten das Vorwärtskommen nicht wenig. Nach einer halbstündigen Kletterei machte Carruthers Rast, aß sein Mittagessen, trank den Wein und rauchte eine Pfeife. Etwa 40 Minuten später fühlte er sich wieder frisch und setzte seine Klettertour ohne Ballast fort. Als er bei den Tannen oben war, war es Nachmittag. Seine Schritte auf dem Felsen erschreckten die Eidechsen, die auf den heißen Steinen sonnenbadeten, und trieben sie in die Flucht. Kein Ton war zu hören außer dem leisen Zirpen der Grashüpfer und dem eintönigen Summen einer fernen Zikade.
    Inmitten einer Baumgruppe befand sich ein Hochspannungsmast, der durch Spannseile verstärkt war, um den doppelten seitlichen Zug aufzuhalten, der durch das Linksabbiegen der Leitung verursacht wurde. Er sah, daß die Leitung von hier aus entlang eines Grates etwa eine Meile horizontal verlief. Froh darüber, daß er geradeausgehen konnte, schritt er tüchtig aus.
    Sein Weg führte zum größten Teil durch Lichtungen, die in den Wald geschlagen worden waren, und er konnte nur gelegentlich einen Blick ins Tal hinunter werfen. Er kam schnell voran. Am Ende des Grates senkten sich die Leitungen nach rechts, und er konnte sie nicht mehr sehen. Er ging noch eine Weile geradeaus, bis zu einem Felsvorsprung, von wo er sich orientieren konnte.
    Es bot sich ihm ein großartiger, fast schreckenerregender Anblick. Er war höher hinaufgeklettert, als er vermutet hatte, und das Tal breitete sich unter ihm aus wie eine Landkarte. Zur Rechten sah er in einer Entfernung von zirka einer halben Meile die Masten aus den Tannen herauskommen. Sein Blick folgte ihnen ins Tal hinunter und auf der andern Seite wieder bergan, wo sie einmal mehr in mittlerer Entfernung verschwanden. Dann sah er weit weg, dort, wo das Tal sich zu einer Schlucht verengte, den Damm, einen weißen Keil, der sich vom dunklen Felsboden abhob. Links daneben, in gefährlicher Lage unter einem riesigen, überhängenden Felsen, stand eine Gruppe von Gebäuden, in denen Carruthers die Turbinen und Generatoren vermutete, die Zovgorod mit

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