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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Offensichtlich war dieser hier sein Beschatter, und der andere war auf Groom angesetzt. Das hieß, daß man ihn in den letzten zwei Wochen keinen Moment aus den Augen gelassen hatte. Wie dumm von ihm, daß er das nicht längst bemerkt hatte. Er schlug sich den Gedanken daran für den Augenblick aus dem Kopf und entfaltete die Karte.
    Was er suchte, war die elektrische Verteilerstation für Zovgorod. Er fand sie sehr schnell auf der Karte. Sie befand sich am nordöstlichen Stadtrand. Er lehnte sich zurück und dachte nach.
    Zovgorod hatte wahrscheinlich wie die meisten Städte ein Elektrizitätswerk und mehrere Unternetze, die die einzelnen Stadtteile mit Strom versorgten. Jedes Unternetz hatte sein System von Sicherungen und Unterbrechern, das mit Kurzschlüssen und Überbelastung fertigwerden mußte. Es war also offensichtlich, daß eine Überlastung sehr wohl eintreten konnte, wenn der Prozeß, den Professor Barstow in der Encyclopädie beschrieben hatte, irgendwo innerhalb der Stadt ablief. Ein Stromzusammenbruch wäre die Folge, aber bloß in dem Stadtviertel, das vom betreffenden Unternetz gespeist wurde. Nun waren aber die Oper und das Hotel Europa auf der Karte sehr weit auseinander. Die Zeitungsnotiz, die von einem Stromausfall in der ganzen Stadt gesprochen hatte und das Zeugnis des Schweizer Hotel-Kellners bewiesen Carruthers, daß der Stromausfall sich nicht auf ein bestimmtes Stadtviertel beschränkt hatte.
    Hieraus folgte, daß die Quelle der Überbelastung zwischen der Zovgoroder Verteilerstation und dem Wasserkraftwerk beim Staudamm weiter oben im Tal liegen mußte. Würde er diesen Ort finden, so hätte er auch Kassens Laboratorium. Die Zeiten, zu denen die Stromausfälle erfolgt waren, sprachen für sich. Der Kellner hatte gesagt, daß es in den frühen Morgenstunden passiert sei. In der Oper war es kurz vor Mitternacht gewesen. Zu beiden Zeiten war der Verbrauch der Stadt an Elektrizität gering. Höchstwahrscheinlich machte Kassen seine Versuche zu diesen Nachtzeiten. Er überlegte sich nun sein Vorgehen.
    Der Strom aus dem Wasserkraftwerk würde sicher über Freileitung in die Stadt heruntergelangen. Irgendwo mußte eine Seitenlinie ins Laboratorium führen. Also brauchte er bloß der Leitung nachzugehen. Er würde bei der Verteilerstation anfangen.
    Zuerst mußte er allerdings seinen Schatten loswerden. Er warf noch einen letzten Blick auf die Karte, stand auf und verließ den Park. Als er seine Pfeife anzündete, warf er einen raschen Blick zurück. Zwanzig Meter hinter ihm stand der Agent der Gräfin.
    Er schlenderte in Richtung Kudbek, rief dann ein Taxi herbei und befahl dem Chauffeur, ihn zur Griechischen Kirche zu fahren, die auf der andern Seite der Stadt als die Verteilerstation lag. Aus dem Augenwinkel sah er, daß auch sein Beschatter ein Taxi gefunden hatte.
    Als sie den Kudbek entlang fuhren, schaute Carruthers durch das kleine Rückfenster des Wagens nach dem ihm folgenden Taxi. Der Agent, offensichtlich gelangweilt von vierzehn Tagen ereignisloser Beschattung, hatte sich bequem zurückgelehnt und überließ es dem Fahrer, Carruthers Taxi im Auge zu behalten. Carruthers lehnte sich ebenfalls bequem zurück und wartete auf eine Gelegenheit.
    Sie bogen vom Kudbek in das Gewirr von Seitensträßchen und Hintergäßchen südlich des Königspalastes. Als sich das Taxi zwischen dem Trottoir, auf dem die Passanten sich drängten, und einem Karren durchwand, nutzte Carruthers die Gelegenheit, öffnete die linke Tür, warf das Fahrgeld auf den Sitz, schlüpfte hinter dem Karren auf die Straße und schloß sanft die Tür des Taxis, das weiterfuhr, ohne daß der Chauffeur etwas gemerkt hätte.
    Das war eine Sache von Sekunden gewesen. Während er in der Menge untertauchte, sah er noch, wie der ahnungslose Beschatter weiter in Richtung der Griechischen Kirche fuhr. Schnell war Carruthers wieder im Kudbek, wo er ein anderes Taxi anhielt, diesmal um zur Verteilerstation zu fahren. Er bezahlte das Taxi gleich am Anfang der Straße und ging dann langsam zu ihr hinüber.
    Zovgorod hatte, wie viele andere europäische Städte, früher eine Stadtmauer, und eine scharfe Grenzlinie, die die Stadt vom Land trennt, erinnert noch daran. Die Straße zur Station begann in der Stadt und führte dann über einen zwischen Feldern gelegenen Hügel. Die Station selber, ein würfelförmiges Betongebäude, lag etwas abseits der Straße. Ein Eisenspitzenzaun umgab es, aber Carruthers sah genug.
    Durch die Fenster

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