Der dunkle Grenzbezirk
neugierig machen. Je weniger Geheimnistuerei, desto sicherer ist das Geheimnis.«
»Was soll ich denn tun?« fragte Kassen wütend. »Zwischen ein und fünf Uhr früh! Vier Stunden von vierundzwanzig! Was nützt mir das? Auf diese Weise haben wir schon Monate verloren!«
»Ich kann es auch nicht ändern. Wir brennen alle vor Ungeduld, aber Sie müssen aus der Sache das Beste machen. Vergessen Sie das nicht, Jakob, das ist ein Befehl. Sie dürfen den Strom nicht vor ein Uhr früh benützen. Gestern nacht war es viertel vor zwölf. Was ist denn passiert?«
Die Gräfin sprach in herrischem Ton. Kassen antwortete gereizt.
»Sie behandeln mich, als ob ich ein Kind wäre, Magda. Ich kann nichts dafür. Alles lief so gut, daß ich vergessen habe, auf die Uhr zu sehen. Erst als Kortner aufgeregt aus dem Kraftwerk telefonierte, bemerkte ich, wie früh es noch war.«
Die Gräfin schien besänftigt. Sie sagte etwas, aber so leise, daß Carruthers es nicht verstand. Kassen lachte kurz auf.
»Und nun, mein Freund«, hörte er sie sagen, »erzählen Sie mir von Ihren Fortschritten.«
»Ich bin zufrieden«, sagte Kassen, »die Sache geht voran. Das Erz aus dem alten Grader Bergwerk war diesmal viel besser. Es enthielt viel weniger Blei. Wieviel Tonnen haben sie gefördert?«
»Etwa achtzig. Aber es hat weiter unten im Flöz noch mehr, falls Sie es benötigen sollten. Ich hoffe aber, daß es reicht. Ich habe schon genug von dem Gerede im Dorf, und es laufen Gerüchte um, daß wir dort wieder Blei schmelzen.«
»Verehrteste Dame«, sagte Kassen in schmeichelndem Ton, »aus achtzig Tonnen kann ich genug Magdanit gewinnen, um ganz Europa in die Luft zu sprengen.«
»Was ist das, Magdanit?«
Kassen lachte leise.
»Der Name für unser kleines Geheimnis. Ich nenne meine Erfindung Ihnen zu Ehren Magdanit. Sie haben das natürlich sofort erraten. Ihr Name, Magda, wird zusammen mit dem meinen um die Welt gehen. Sie passen so gut zusammen. Macht und Schönheit gehen Hand in Hand. Magdanit wird ihr Botschafter sein. Der Name paßt wirklich ideal zur Erfindung. Er ist ein Tribut meines Geistes an Ihre Schönheit. Was wird mir die Schönheit dafür gewähren?«
Seine Stimme war ganz heiser geworden. Carruthers hörte eine rasche Bewegung, der Schweigen folgte.
»Seien Sie kein Narr«, sagte sie dann, aber in ihrer Stimme schwang Mitleid. »Lassen Sie mich los, Jakob.«
Nach einem Moment fuhr sie fort: »Dieser Name, den Sie für Ihre Erfindung gewählt haben, gefällt mir nicht. Der Sprengstoff, den Sie erfunden haben, ist bloß ein Mittel zum Zweck. Es ist ein mörderisches Mittel, und es ekelt mich davor.«
In Kassens Stimme war ein höhnischer Ton, als er erwiderte: »Und doch werden Sie nicht zögern, es anzuwenden, Verehrteste?«
»Nein.«
»Und Oberst Marassin? Teilt er Ihre Abscheu?«
»Oberst Marassin ist Soldat. Seine Begeisterung ist durchaus konventionell und traditionell.«
»Und die Ihre, geliebte Magda, ist die Sentimentalität der Patriotin.«
»Nein, Jakob, die Sachlichkeit der Chirurgin. Aber ich bin nicht hierher gekommen, um mit Ihnen zu streiten. Ich will wissen, wann es soweit ist.«
»Bevor die Mischmaschinen kommen, kann ich nichts tun. Es gibt doch hoffentlich keine Verzögerung.«
»Nein. Diesen Teil des Auftrages hat Rovzidsky zu meiner vollen Zufriedenheit erledigt. Der Kredit wurde diese Woche bewilligt. Aber ich will so wenig Experimente wie möglich. Dieser Barstow, der zusammen mit dem Vertreter von Cator & Bliss hier ist, will mir nicht gefallen.«
»Können die beiden uns denn schaden?« fragte Kassen ängstlich.
»Nein, ich glaube nicht. Sie werden ja Tag und Nacht beschattet, und ohne Rovzidsky sind sie machtlos. Sie können die Information, auf die sie so scharf sind, ja nur von zwei Menschen bekommen. Von Ihnen und von mir.«
»Dieser Barstow ist ein Narr, aber immerhin hat er auf eine lahme, läppische Art auf demselben Gebiet wie ich Forschungen gemacht. Er braucht also nur einen Blick auf die Formel des Umwandlungsprozesses zu werfen, und er weiß Bescheid. Sind Sie sicher, daß Rovzidskys Kopie vernichtet worden ist?«
»Da können Sie ganz beruhigt sein. Oberst Marassin hat Rovzidskys Papiere eigenhändig durchsucht.«
»Ja, aber warum bleiben die beiden dann hier?«
»Dieser Groom ist sehr hartnäckig. Er beschäftigt eine ganze Menge Agenten in Zovgorod. Sie erstatten ihm täglich Bericht. Er versucht momentan, einen vom Beamtenstab zu bestechen, einen gewissen Prantza,
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