Der dunkle Grenzbezirk
Ketzerisches gesagt. Ich versuchte mich von meiner Befangenheit zu befreien, sagte mir, daß ich recht hatte, daß mein Vorschlag vernünftig war, daß ich mich schämen sollte, Carruthers verrückte Pläne überhaupt in Betracht zu ziehen. Als mir mein Schweigen unerträglich wurde, fragte ich: »Nun?«
»Ihr Vorschlag ist gut«, gab er zur Antwort, »aber er hat zwei Fehler. Zum ersten: Glauben Sie wirklich, daß Ihr Konsul Ihnen auch nur ein Wort glauben würde?«
»Warum nicht?«
»Denken Sie ein bißchen nach.«
Ich tat es, und je länger ich nachdachte, desto klarer wurde mir, daß er recht hatte. Ich stellte mir vor, wie ich mich verzweifelt bemühte, einen Dickkopf aus Washington davon zu überzeugen, daß ein Laboratorium hoch droben im Kudertal eine ernsthafte Bedrohung für den Weltfrieden bedeute, weil dort atomare Explosivstoffe hergestellt würden. Ich stellte mir vor, wie er gelangweilt nach Beweisen verlangte, ich stellte mir den gerechten Zorn der ixanischen Regierung vor, wenn er sich bei ihr unter vielen Entschuldigungen nach dem Laboratorium Kassens, den seltsamen Heeresmanövern und den Strompannen erkundigte. Am schlimmsten stellte ich mir die ärgerlichen Briefe meines Chefredakteurs vor, die auf die unausbleiblichen Beschwerden aus Washington folgen würden. Der Bukarester Korrespondent, würde es heißen, habe mir eine gewisse Information zukommen lassen, und ich sei hierhergeschickt worden, um Reportagen zu schreiben, nicht um Zeitungsenten zu fabrizieren. »Was ist denn der andere Fehler?« fragte ich.
Er antwortete nicht sogleich. Als er es tat, hatte er sein professorales Gehabe abgelegt und strahlte eine ungeheure Selbstsicherheit aus. Der Wechsel beeindruckte mich. Ich hing an seinen Lippen.
»Nehmen wir an, es gelingt Ihnen, den Konsul davon zu überzeugen, daß Sie kein Phantast sind, und er leitet die ganze Sache weiter nach Washington, und nehmen wir an, daß man Ihnen dort glaubt. Was werden sie dann tun? Ixanien eine diplomatische Note zukommen lassen. Und was kommt dabei heraus? Daß diese Leute gewarnt wären. Zudem glaube ich nicht, daß die hiesige Regierung überhaupt weiß, was die Gräfin für Pläne hat. Der Präsident ist wahrscheinlich eingeweiht, bis zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, aber er tut genau das, was Prinz Ladislaus ihm befiehlt. Glauben Sie, daß die Vereinigten Staaten auf Grund Ihres Berichts eine Abordnung nach Ixanien schicken werden? Selbst wenn der Völkerbund verständigt würde und etwas unternähme, käme dabei nichts Gescheites heraus. Es gibt keinen Präzedenzfall, es gibt keine internationale Organisation, die eine Aktion ermöglichen und durchführen würde. Können Sie sich vorstellen, daß Staatsmänner sich an einen Tisch setzen und Gesetze erlassen gegen kriminelle Narretei von der Art, wie sie Kassen betreibt? Und was das Schlimmste ist: wenn die Geschichte vor den Völkerbund käme, dann würden doch die andern Nationen zwangsläufig davon erfahren und dann alles unternehmen, um selbst hinter das Geheimnis zu kommen, im heiligen Namen der eigenen nationalen Sicherheit. Mit dieser Angelegenheit könnte nur eine internationale Sicherheitspolizei fertig werden, und die gibt es leider nicht.«
Ich war geschlagen und wußte es, versuchte aber dennoch, Zeit zu gewinnen. Ich erinnerte ihn daran, wie hoffnungslos wir in der Minderzahl waren. Er gab es fröhlich zu. Wir sollten, fuhr ich fort, Verstärkung anfordern, wenn wir auch nur die kleinste Erfolgschance haben wollten.
Er nahm sich meinen Vorschlag zu Herzen, schüttelte aber dann den Kopf.
»Zahlenmäßige Überlegenheit«, sagte er, als doziere er vor einer Militärakademie, »würde unsere Beweglichkeit einschränken. Im Prinzip bin ich aber Ihrer Ansicht. Wir brauchen Verbündete. Oder wenigstens einen. Ich habe da an Ihren Freund Andrassin gedacht.«
Ich hatte das erwartet und erzählte ihm von Andrassins Weigerung, ihn kennenzulernen, ohne aber die Begründung und den Rest des Gesprächs zu erwähnen. Carruthers nahm die Nachricht ruhig auf.
»Für den Moment«, bemerkte er, »spielt das keine Rolle. Wenn die Zeit kommt, werde ich schon einen Weg finden, ihn zu überreden.«
Ich bezweifelte das, sagte aber nichts.
»Unterdessen«, meinte ich herausfordernd, »müssen wir einen Weg finden, wie wir zu zweit mit zehn Mann fertig werden, ohne Lärm zu machen.«
»Ich habe einen Plan«, sagte er schlicht. »Nachdem ich Sie heute morgen verlassen habe, habe ich mir das Haus
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