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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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knirschen und sah den Schein einer Laterne. Als der Lichtschein verschwunden war, gingen wir weiter, bis wir plötzlich das Haus vor uns hatten. Im Schatten der Mauer blieben wir stehen. Carruthers flüsterte mir zu zu warten, bis er wiederkomme, und war geräuschlos im Dunkeln verschwunden.
    Ich fröstelte und schlug den Mantelkragen hoch. Der Himmel war jetzt etwas heller, und ich schloß daraus, daß bald der Mond aufgehen würde. Genau über mir sah ich die Silhouette eines kleinen Balkons. Ich versuchte, auf meiner Uhr nach der Zeit zu sehen, aber es war noch zu dunkel. Einmal hörte ich vom Haus her ein leicht schlurfendes Geräusch, aber das war alles. So vergingen etwa zehn Minuten, und ich fuhr zusammen, als Carruthers mich am Ärmel berührte.
    »Ich war im Haus«, flüsterte er, »bin durch ein Fenster im Dienstbotentrakt eingestiegen. Ich vermute, daß das, was wir suchen, im Balkonzimmer ist.«
    »Wieso glauben Sie das?« flüsterte ich zurück.
    »Es ist das einzige Zimmer mit verschlossener Tür. Kommen Sie.«
    »Und was ist mit dem Posten an der Vorderseite?«
    »Der schläft, wie sich das für einen guten Ixanier um diese Zeit gehört.«
    Er ging der Hausmauer entlang und zog sich dann zum Balkon hinauf. Ich folgte, fühlte eine Regenrinne und klemmte mich daran hoch. Ich kauerte mich neben ihn. Vor uns waren zwei große Flügelfenster.
    »Hier ist es«, flüsterte er.
    Die Fenster waren verschlossen – natürlich. Schon wieder fluchte ich über unser kindisch-närrisches Unterfangen. Aber ich hatte nicht mit Carruthers grotesken Kunststücken gerechnet. Ich sah, wie er oben und unten an das Fenster drückte.
    »Das ist eins mit doppelter Schließvorrichtung«, sagte er leise. »Der Fenstergriff ist in der Mitte, und wenn man ihn dreht, wird oben und unten der Riegel vorgeschoben. Wenn das Holz verzerrt ist, ist es ein Kinderspiel, sie zu öffnen.«
    Wieder hantierte er mit der verbogenen Gabel, und etwa nach einer Minute gaben die Riegel nach und die Türen öffneten sich nach innen. Wir traten ins Zimmer und standen auf einem weichen Teppich. Carruthers schloß und verriegelte die Türen wieder.
    Als erstes stieg mir ein starker Duft in die Nase. Carruthers zündete ein Streichholz an und schirmte es sorgfältig mit der Hand ab. Ich sah auf einem Rokokoschreibtisch eine große Vase voller Lilien.
    Bevor Carruthers das Streichholz wieder ausblies, sah ich noch zwei Sessel und ein Bücherregal und bemerkte, daß die schweren Vorhänge nicht zugezogen waren.
    »Los. Hinter die Vorhänge mit uns«, sagte er.
    Wir wickelten uns in die mit dicken Kordeln zurückgebundenen Samtvorhänge und preßten uns mit dem Rücken gegen die Wand. Wir standen etwa einen halben Meter vom Fenster weg. Die Vorhänge wurden durch eine große Vorhangleiste von der Wand abgehalten. Wir würden niemandem im Zimmer auffallen, wenn wir uns ruhig verhielten.
    »Was tun wir jetzt?« flüsterte ich.
    »Wir warten.«
    Und das taten wir denn auch. Der Mond war aufgegangen und warf einen Lichtstrahl ins Zimmer. Ich streckte vorsichtig meinen Arm aus und sah auf meiner Uhr, daß es schon später als eins war. Carruthers hatte mir verboten, mich zu rühren. Meine Füße waren gefühllos und meine Waden schmerzten von der Anstrengung. Ich glaubte schon, wir hätten Grooms Absichten doch nicht exakt vorausberechnet, sollte aber bald erfahren, daß Carruthers wieder einmal völlig Recht gehabt hatte.
    Eben überlegte ich, ob ich wohl die Schmerzen in meinen Waden lindern könnte, wenn ich auf den Zehenspitzen wippte, als ich draußen vor dem Fenster Schritte knirschen hörte. Ich spürte, wie Carruthers seine Muskeln anspannte. Wenig später hörte ich, wie jemand mit einem Werkzeug am Flügelfenster hantierte. Für einen Moment wurde es still, und dann drehte sich der Griff mit einem Ruck, und das Fenster ging mit Schwung auf und berührte den Vorhang, hinter dem wir standen. Grooms Leute waren eingetroffen. Ich hielt den Atem an.
    Ein Mann trat langsam ins Mondlicht und blieb dann stehen. Er warf einen Blick über seine Schulter zurück, dann schaute er wieder nach vorn. Nun bewegte er sich weiter und verschwand aus meinem Gesichtsfeld. Carruthers Schulter trennte sich von der meinen, als er sich seitwärts beugte. In dieser Stellung konnte er von seiner Seite des Vorhangs aus das Zimmer überblicken. Ein plötzliches Aufschimmern von Licht sagte mir, daß der nächtliche Besucher eine Taschenlampe angezündet hatte. Es war so still,

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