Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
Vom Netzwerk:
Dann fiel mir Petar ein, und ich klingelte nach ihm. Es kam aber ein anderer Kellner, den ich ausquetschen mußte, um zu erfahren, daß Petar krank sei. Ich zog meine Schlüsse daraus und fluchte, daß Beker mich so lange warten ließ.
    Sein Anruf sollte um 14 Uhr 30 kommen. Ich rauchte eine Zigarette nach der andern und rief mir immer wieder Tumachins Befehl in Erinnerung, nicht vor Einbruch der Nacht in den Sa’ Maria Prospek zu gehen. Ich verzehrte mich fast vor Ungeduld, und als endlich das Telefon läutete, sprang ich zum Apparat und wollte mich wortreich beschweren, kam aber nicht dazu.
    »Tut mir leid«, sagte Beker schnell, »der Tabak.«
    Dann hängte er auf.
    Ich packte Hut und Mantel und rannte aus dem Hotel. ›Tabak‹ war das Codewort, das wir vereinbart hatten für ›Sofort kommen‹. Man mußte mich nicht anspornen. Ich wich den Hauptstraßen aus, so gut es ging, und rannte fast den ganzen Weg. Als ich mich dem Stadtteil näherte verlangsamte ich mein Tempo. Die Straßen waren verlassen und seltsam ruhig. Eine Gruppe Männer, die an einer Ecke stand, zerstreute sich, als ich näher kam. Im Sa’ Maria Prospek war keine Menschenseele zu sehen.
    An der Nummer elf empfing man mich ebenso wie beim ersten Mal, als ich mit Carruthers dort gewesen war. Als jedoch Beker kam, zog er mich rasch hinein und ging mir voran die Treppen hinauf.
    Tumachins Zimmer glich dem Hauptquartier eines Armeekorps während der Entscheidungsschlacht. Er und Carruthers standen über den Tisch gebeugt und studierten verschiedene Meßtischblätter. Ein halbes Dutzend Ixanier, die ich nicht kannte, waren im ganzen Zimmer verteilt und flüsterten miteinander. Ich bemerkte auch eine Frau. Tumachin grüßte mich überschwenglich, Carruthers ziemlich geistesabwesend, und beide wandten sich sofort wieder den Karten zu. Die andern schauten jetzt zu mir her, und Beker stellte mich jedem einzelnen als Vertreter der amerikanischen Presse in Zovgorod vor. Die Frau war eine »Anführerin aus dem Westen«. Die Namen der Leute waren unmöglich zu behalten. Dann winkte mich Tumachin an den Tisch und bot mir einen Stuhl an.
    »Mr. Casey«, begann er in geschäftlichem Ton, »jetzt erfüllen wir unser Versprechen. Die Situation ist die folgende. Sie kennen ja den Plan so ungefähr. Ein Punkt ist, die Armee von Zovgorod wegzulocken, damit wir hier ungestört agieren können. Aus diesem Grund haben wir zwei Bauernaufstände organisiert, einen in Grad im Norden, einen andern in Kutsk im Süden. Der Kutsker Aufstand begann gestern nacht. Die Parteiführer haben unsere Befehle ausgeführt und sich in den Besitz der Verwaltungsgebäude gesetzt und eine unabhängige Regierung ausgerufen. Die Regierung hier hat Truppen zur Niederschlagung des Aufstandes nach Kutsk beordert, im ganzen 4000 Mann. Ein Bataillon aus der hiesigen Kaserne ist heute morgen in den Zug verladen worden und wird zusammen mit Truppen aus andern Landesteilen spätestens morgen früh am Bestimmungsort ankommen. Der Aufstand in Grad war auf heute bei Morgengrauen angesetzt. Die dortigen Parteileute haben dieselben Befehle erhalten wie ihre Genossen in Kutsk. Heute nachmittag wurden folglich weitere 5000 Mann aus verschiedenen Bezirken nach Grad in Marsch gesetzt, und sie dürften morgen mittag dort ankommen. In Zovgorod bleibt nur noch ein einziges Bataillon. Die nächsten sonstigen Truppen werden 20 Stunden von der Hauptstadt weg sein. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, haben wir unter den Soldaten ziemlich viele Sympathisanten, und die Zahl der Regierungstreuen in diesem verbleibenden Bataillon macht uns keine Sorge. Wir haben Kutsk zuerst gewählt, weil es die kleinere Stadt ist. Weil die Regierung den Aufstand dort für eine Lokalangelegenheit hält, hat sie zu seiner Unterdrückung mehr Truppen hingeschickt, als wenn sie der Grader Aufstand zuerst alarmiert hätte.«
    »Schlauer Schachzug, Tumachin«, sagte ich. »Aber was geschieht mit den armen Teufeln in den beiden Städten? Die müssen doch jetzt herhalten.«
    »Sie ziehen sich in die Berge zurück, sobald sich die Truppen den Städten nähern. Dort sind sie für den Moment sicher. Es würde Wochen dauern, sie einzukreisen. Aber soweit werden wir die Dinge ja gar nicht kommen lassen. Aus andern Städten im Westen und Osten marschieren jetzt die Bauern in kleinen Gruppen nach Zovgorod, schon seit einer Woche. Kleine Gruppen fallen nicht auf. Das ist schon die ganze letzte Woche geschehen. Morgen stehen zwei Abteilungen unserer

Weitere Kostenlose Bücher