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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Freunde vor der Stadt, bereit, sie zum gegebenen Zeitpunkt zu betreten. Im Moment, wo die Truppen eine bestimmte Linie überschritten haben, werden ihre Verbindungen durch Spezialkommandos unterbrochen. Der vorgesehene Zeitpunkt ist morgen früh ein Uhr. Telefon- und Telegrafenleitungen und sämtliche Zugverbindungen werden unterbrochen. Die Radiostation und der Flugplatz werden besetzt. Zovgorod wird für volle 12 Stunden total von der Umwelt abgeschnitten sein. In diesen 12 Stunden besetzen wir die Stadt und proklamieren das Kriegsrecht. Danach werden die Verbindungswege zur Außenwelt wieder geöffnet, die Truppen in Kutsk und Grad werden zurückbeordert und ihre Offiziere werden gefangengesetzt, es sei denn, sie leisten der neuen Regierung den Treueeid. Die Abgeordnetenkammer wird einberufen und aufgelöst, und es werden Neuwahlen ausgerufen. Dies ist der Zeitpunkt, Monsieur Casey, wo Ihre Dienste uns von unschätzbarem Nutzen sein könnten. Die Telegrafenämter werden zu Ihrer Verfügung stehen. In erster Linie müssen wir Zustimmung und Anerkennung unserer Unabhängigkeit von Bukarest erhalten. Hierauf sollten dann Paris, London und New York mit uns diplomatische Beziehungen aufnehmen. Ihr Einfluß wird das sicher ermöglichen.«
    Verblüfft starrte ich ihn an. »Aber …«
    »Für meinen Freund Casey ist das ein Kinderspiel«, warf Carruthers selbstgefällig ein.
    Ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Weiß der Himmel, was er Tumachin alles erzählt hatte. Die Leute haben ja die fantastischsten Vorstellungen von der Macht eines einzelnen Journalisten. Aber man ließ mir keine Zeit zum Protestieren. Tumachin bedankte sich überschwenglich bei mir, und die übrigen Anwesenden fielen in den Gratulationschor ein. Ich beschloß, bei der ersten Gelegenheit Carruthers meine Stellung als neutraler Reporter klarzumachen. Er konnte sich dann eine Erklärung einfallen lassen, um sich aus der Affäre zu ziehen.
    Ich zog Beker beiseite und fragte ihn, ob er etwas Neues von Groom wisse. Er antwortete ausweichend. Der Professor habe die Sache persönlich in die Hand genommen. Alles würde sich zweifelsohne zum gegebenen Zeitpunkt aufklären. Ich sprach Carruthers daraufhin an, der mir mehr Auskunft gab.
    »Um ehrlich zu sein«, sagte er, »weiß ich nicht, was er plant und warum er überhaupt noch hier ist. Indes kann er keinen Schritt tun, ohne daß ich es erfahre, und heute ist seine letzte Gelegenheit, etwas zu unternehmen.«
    »Sie sehen, Monsieur«, warf Tumachin ein, der daneben stand, »der Professor hat mir diese Sache völlig aus der Hand genommen. Ich habe nichts damit zu tun.«
    »Nun«, sagte ich und warf Carruthers einen giftigen Blick zu, »die Fortschrittliche Bauernpartei scheint an alles gedacht zu haben.« Carruthers und auch Tumachin schienen nicht unzufrieden mit sich zu sein. Da fiel mir etwas ein. »Übrigens, was ist denn mit den Hitzköpfen, die den Präsidenten ermorden und noch den Kuderdamm in die Luft sprengen wollten?«
    Ich hätte schwören können, daß die beiden bedeutungsvolle Blicke wechselten.
    »Ach, die«, antwortete Carruthers munter, »wir haben ihre überschüssigen Kräfte in nützliche Bahnen gelenkt.« Und er grinste Tumachin selbstgefällig an.
    Dieses übermäßige Selbstvertrauen irritierte und erschreckte mich. Sie schienen beide nicht wahrzuhaben, daß sie nicht mehr eine Verschwörung als Sandkastenspiel betrieben, sondern dabei waren, eine bestehende Regierung zu stürzen. Andrassin wäre sicher dagegen gewesen. Aber als ich sie wieder anschaute, vergaß ich meinen Ärger. Tumachin war wieder an den Tisch getreten, die andern hatten ihre Gespräche wieder aufgenommen. Ihre Gesichter waren ernst und ihre Augen ruhig. Ich schaute mir einen nach dem andern genau an. Es war kein Dummkopf darunter und keine Gaunervisage. Das breite, kräftige grobgeschnittene Bauerngesicht der Frau war schön. Erst dann erkannte ich den Grund für meine schlechte Laune. Es war der Gedanke, daß ich diese ehrenwerten Leute enttäuschen könnte, daß ich, Casey, nicht auf der Höhe der Aufgabe stehen könnte, die Tumachin und Carruthers mir zugedacht hatten. Sie mußten jetzt erfahren, daß sie zuviel von mir verlangt hatten, mehr als ich zu geben imstande war. Ich hatte mich zu Tumachin gewandt, um ihm das zu erklären und ihn zu bitten, ein anderes, besseres Arrangement zu treffen, als plötzlich der Summer im Zimmer ertönte.
    Totenstille trat ein. Beker ging ruhig zum Fenster, warf

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