Der dunkle Herzog
Kurtisane«, sagte Eleanor. »Wie amüsant.«
Hart legte seine schmutzigen Kleider ab. »Kümmert es dich, was sie denken?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Eleanor. »Aber so glücklich ich auch bin, aus dem kalten Wind heraus zu sein, muss ich doch darauf hinweisen, dass es in deinem Londoner Haus wärmer ist. Und deine Badewanne dort ist größer. Und du hast dort fließendes Wasser.«
Hart zog eine gefaltete Zeitung aus seiner Jackentasche und warf sie aufs Bett. »Das ist der Grund, warum wir hier sind.«
Eleanor schaute nicht in die Zeitung. Stattdessen sah sie zu, wie Hart sich aus seiner Hose und der Unterhose schälte und dann nackt in die Wanne stieg.
Hart ließ sich in das heiße Wasser sinken und seufzte behaglich. Eleanors Blick verweilte auf ihm, ihrem großen, gut aussehenden Ehemann, dessen Haut jetzt vom Wasser glänzte.
»Lies die Zeitung, El«, sagte Hart. Er griff nach dem Stück Seife und wusch sich.
Eleanor schaute auf das Bett. »Ich habe sie gelesen. Die Neuigkeiten über die Wahlen stehen darin.«
»Ich weiß.« Er stieß einen wohligen Atemzug aus und ließ sich gegen die Wand der kleinen Wanne sinken. Er musste die Knie anwinkeln, um hineinzupassen. »Das ist es, was ich dir zeigen wollte, El. Die Koalition, die Wahlen, die Regierung … die Welt. Alles hat sich weiterbewegt.« Er breitete die Arme aus, Wasser tropfte auf den Boden. »Und ich bin noch immer hier.«
»Wie wahr«, sagte Eleanor und sah ihn an. »Einige deiner Kollegen haben schier nicht aufhören können, um dich zu trauern. Es ist ziemlich abscheulich.«
»Das meinte ich nicht. Während ich auf dem Boot gelebt habe, El, hat die Welt sich ohne mich weitergedreht. Ich dachte immer, dass sie das ohne mich nicht tun würde. Alles würde zerfallen und zusammenbrechen, unfähig sein weiterzumachen, wenn ich nicht da wäre, es zu richten. Aber ich habe mich geirrt.«
Sie sah ihn besorgt an. »Und das amüsiert dich?«
»Ja.« Hart wusch sich vehement das Haar, Wasser spritzte umher. »Die Welt von ferne zu betrachten, Liebes, hat sie mir näher gebracht. Ich muss sie nicht leiten. Ich habe Dinge in Gang gesetzt und Fleming einen Anstoß gegeben. Und jetzt – jetzt kann ich aufhören.«
Er seufzte schwer und glitt unter Wasser, der Schaum schloss sich über ihm wie eine Decke.
Eleanor hatte ihn noch nie so erlebt. Er saß entspannt in dieser lächerlich kleinen Wanne, absolut unbekümmert und ein Grinsen voll ungetrübter Fröhlichkeit auf dem Gesicht. Über sich selbst lachend. Obwohl Hart sie geneckt und viel gelacht hatte, als er ihr vor langer Zeit den Hof gemacht hatte, war er im Grunde immer damit beschäftigt gewesen, sich selbst auf sein Ziel hinzutreiben. Immer hatte es in Hart MacKenzie einen tief liegenden Drang gegeben, der alles bestimmt hatte, auch das, was er seinen Mitmenschen von sich zu erkennen gab. Und das war immer nur die Oberfläche gewesen. In diesem Moment jedoch war er … er selbst.
»Bist du sicher, dass es dir gutgeht?«, fragte Eleanor. »Ian hat mir berichtet, dass du bei der Explosion etwas an den Kopf bekommen hast.«
Hart lachte laut heraus. Wasser tropfte aus seinen Haaren, seine langen Arme und Beinen hingen über den Rand der Wanne. Und dieser Bart! Der Anblick hatte Eleanor verwirrt, als Hart ins Licht getreten war und sie ihn angeschaut hatte. Aber die weichen Haare an den Lippen zu spüren war gar nicht unangenehm gewesen.
»Ich war mein ganzes Leben lang wahnsinnig«, sagte Hart. »Getrieben. Auf meine Brüder aufzupassen, die Gewissheit zu haben, dass wir überlebt haben, mich um dieses Land zu kümmern, um die Welt, wenn ich es denn gekonnt hätte. Ich hatte schreckliche Angst, dass mir etwas Schlimmeres widerfahren und alles zum Teufel gehen würde, wenn ich damit aufhörte. Aber das ist nicht geschehen, nicht wahr? Es ist wunderbar. Und ich bin so verdammt müde.«
»Aber was ist mit den Wahlen? Deine Partei wird gewinnen. Jeder denkt das.«
»Fleming kann sie führen. Er wird es gut machen, und er ist keiner dieser aufgeblasenen Adligen, denen niemand zuhören will. Er wird Gladstone einen harten Wettkampf liefern.«
»Aber wenn du zurückkommst, kannst du gewinnen. Ich weiß es.«
»Nein. Ich bin fertig damit.«
Sein Lachen erstarb in einem erleichterten Seufzer. Das ehrgeizige Leuchten, das fortwährend in Harts Augen gewesen war, war fort. In diesem Augenblick war er ein ganz gewöhnlicher Mann, der die einfachen Freuden eines heißen Bades genoss.
»Aber was
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