Der dunkle Kreuzzug
sich hinsichtlich der Bedingungen für diese Ehe einigen können.
Tonio war es bislang nicht gelungen, sich eine eindeutige Meinung über Alistair zu bilden, auch wenn das eigentlich völlig
egal war. Samantha war die jüngere Tochter des Imperators und Fünfte in der Thronfolge. Ihr älterer Bruder, seine beiden Kinder und Samanthas ältere Schwester Joanna besaßen alle vor ihr ein Anrecht auf den Thron.
Wie wahrscheinlich es war, dass keiner von ihnen überleben würde, wenn der derzeitige Imperator vorzeitig sterben sollte, darüber wollte St. Giles nicht nachdenken.
Also, überlegte er, ist es auch nicht wirklich wichtig.
Die Aircars landeten schließlich an dem in den Bergen gelegenen Palast. Der Empfang war beeindruckend: ein komplettes Kontingent der Leibwache in Galauniform, dazu eine Reiterstaffel. Reiten war bei der Oberschicht auf Corazón sehr beliebt, die Tiere waren reinrassige Weiterzüchtungen von Pferden, die man Mitte des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts von Terra mitgebracht hatte. Die Kosten dafür waren unsagbar hoch gewesen.
Das Aircar des Imperators nahm den Ehrenplatz ein, doch die Hausgarde und die Hüter mit St. Giles stiegen vor ihm aus, um auf dem Landeplatz auf dem Dach des Gebäudes ihre Plätze einzunehmen.
Während er unter freiem Himmel stand und die gelblich weiße Sonne von Corazón auf ihn niederbrannte, ließ Antonio St. Giles seinen Fähigkeiten freien Lauf.
Der Lärm der Menge – hunderte von gründlich durchleuchteten Schaulustigen waren anwesend und jubelten lautstark – wurde als Erstes von seinem Bewusstsein ausgeblendet, dann folgte das Dröhnen der Schritte und der landenden Aircars.
Schließlich ließ er mit einer Klarsicht, die nur wenige aus dem Inneren Orden besaßen – und die Owen Garrett niemals erreicht hätte, ging es ihm durch den Kopf -, seinen konzentrierten Geist langsam in die Menge eintauchen und widmete sich nacheinander jeder einzelnen Person. Sein Gesichtsausdruck strahlte dabei eine so undurchschaubare Ruhe und Gelassenheit aus, die von Nicht-Hütern unweigerlich als beunruhigend empfunden wurde. Die
meisten Leute, die ihm in die Augen sahen, wandten ihren Blick rasch ab. Von Osten aus beschrieb er einen kompletten Kreis, bis er zufrieden feststellen konnte, dass jeder der war, der er zu sein schien. Mit einer unauffälligen Geste, die von jedem Hüter in Sichtweite wiederholt wurde, signalisierte er: »Alles klar.«
Ganz zum Schluss sah er zu Duke Alistair, dem Fürsten von New Segovia, der dreißig Meter entfernt auf einem Pferd saß. Er wandte den Blick nicht ab, als Tonio sich auf ihn konzentrierte. Ihn schien die ganze Übung bestenfalls zu amüsieren.
»Euer Gnaden«, sagte Tonio und ging langsam auf den Duke zu. »Wie schön, dass Sie heute hier sind, um uns zu empfangen.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie alles in bester Ordnung vorfinden werden«, gab Alistair lächelnd zurück. Er ließ gegenüber dem Commander der Hüter nicht viel Wärme erkennen. »Ich würde es nicht versäumen wollen, meine Braut zu sehen«, fügte er an. »Und es wird mir ein Vergnügen sein, meinen ehrbaren Vater König Leo Seiner Imperialen Hoheit vorzustellen.«
»Dann sollten wir fortfahren«, sagte Tonio.
In einer fließenden Bewegung saß Alistair ab, warf die Zügel seines Pferds einem Wachmann zu und überquerte ohne ein weiteres Wort den Platz in die Richtung, wo Imperator Dieter und seine Gattin Katja langsam die Reihen abschritten.
Für einen kurzen Augenblick bemerkte Tonio am linken Revers der Uniformjacke, die der Fürst trug, eine Anstecknadel: ein diamantener Stern mit einem silbernen Filigran, das Wolken darstellen sollte.
Duke Alistair trug ein Emblem des Flammenden Sterns.
Als sich ein paar Stunden später alle zur Nachmittagsruhe begeben hatten – ein weiterer Brauch, den man von der Erde nach Corazón mitgenommen hatte -, war für Tonio die Zeit gekommen, sich um seine Arbeit zu kümmern.
»Nic, aktivieren«, sagte er in den Raum, während er in seiner opulenten Suite in einem bequemen Sessel saß.
Die KI tauchte in einem zweiten Sessel auf. »Maestro.«
»Wann ist dein letztes Update erfolgt?«
Nic schwieg einen Moment lang, dann sah er zu Tonio. »Der letzte große Abgleich fand vor vier Standardtagen statt, Commander, zusammen mit einer zusätzlichen Übertragung, als die Yacht des Imperators das Schwerkraftfeld von Corazón erreichte.«
»Als ich heute Duke Alistair begegnete«, erklärte Tonio, »da sah ich, dass
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