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Der dunkle Kreuzzug

Der dunkle Kreuzzug

Titel: Der dunkle Kreuzzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Hunt
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zurück. Er nahm einen fein gearbeiteten corcyranischen
Kelch – das beste Kristall, das diese Welt zu bieten hatte, bis sie im ersten Jahr des Krieges von den Vuhl ausgelöscht wurde. St. Giles war nur einen Meter hinter ihm und hielt die Hände hinter dem Rücken verschränkt, während er auf den Zehenspitzen leicht nach vorn wippte.
    Ein Kellner kam vorbei und schenkte dem Imperator nach, während St. Giles ihn genau beobachtete. Der Bedienstete erweckte nicht den Eindruck, als wolle er sich von dem Kommandanten einschüchtern lassen, dennoch sah er zu, dass er seine Arbeit so schnell wie möglich erledigte, um dann weitergehen zu können. Der Imperator nahm einen tiefen Schluck.
    »Aah. Verdammt, Tonio, das ist langweilig.«
    »Ja, Sire«, antwortete St. Giles, der genug damit zu tun hatte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sich langweilte.
    »Sehen Sie sich nur all diese armen Teufel an«, fuhr er fort und machte eine ausholende Geste mit seinem Glas. »Die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge, die das Wenige, was sie noch besitzen, ausgeben, um up to date zu bleiben. Keine Welten, auf die sie zurückkehren können – keine Reichtümer, kein Grund und Boden mehr.«
    »Sie hoffen, dass wir den Krieg gewinnen, Sire«, sagte St. Giles und wandte den Blick vom Imperator ab, um sich auf eine Gruppe von fünf Gästen zu konzentrieren, die soeben eingetroffen waren.
    »Genau das, was ich gerade gesagt habe.«
    Der Imperator trank den Kelch aus und stellte ihn auf ein Tablett, auf dem er einige Sekunden lang hin und her wackelte, ehe ein weiterer Diener das wertvolle Glas zu fassen bekam und es dorthin brachte, wohin derartige Objekte gebracht wurden, wenn der Imperator sie wegstellte. »Diese armen Teufel. Wenigstens können sie noch hoffen.«
    »Hoffnung motiviert die Menschen mehr als alles andere, Euer Hoheit. Ich wage zu behaupten, dass es eine Ihrer wichtigsten Aufgaben ist, die Menschen zu inspirieren und ihnen Hoffnung zu geben.«

    »Sie wollen doch nicht etwa versuchen, mir vorzuschreiben, wie ich meinen Job erledigen soll?«
    »Das würde mir nicht im Traum einfallen, Sire.«
    »Gut. Die Massen zu inspirieren, ist eine undankbare Aufgabe, das kann ich Ihnen versichern. Aber was soll’s. Jeder muss tun, was er tun muss«, redete der Imperator gedankenverloren weiter. »Wo zum Teufel ist mein Drink?«
    Ein Diener trug ein Tablett vorbei, und er nahm sich ein Glas, das er sofort bis zur Hälfte austrank. St. Giles äußerte sich nicht dazu.
    Einen Moment später fuhr der Imperator fort: »Wenigstens habe ich Sie in meiner Nähe, Tonio. Sonst müsste ich mir über mehr Dinge Sorgen machen, nicht nur über die Ängste meiner Untertanen.« Er lächelte über seinen eigenen Humor und nippte an seinem Drink.
    »Wie Euer Hoheit meinen.«
    »Tja, dann mische ich mich am besten mal wieder unters Volk«, fügte der Imperator an und kehrte zurück zu seinen Gästen. St. Giles entging nicht, wie der Ausdruck jener Gäste mit einem Mal von gleichgültig zu belebt wechselte, kaum dass er sich ihnen näherte.
    So war er vor dreißig Jahren nicht, dachte St. Giles. Ein Vierteljahrhundert Krieg zermürbt jeden.
    St. Giles’ Aufmerksamkeit wurde auf einen weiteren Hüter gelenkt, der die in Richtung Hafen führenden Stufen heraufkam. Der Mann bemerkte ihn und kam ihm entgegen, wobei er sich seinen Weg durch die Gruppen Adliger bahnte, die ihn passieren ließen. St. Giles entfernte sich vom Tisch und wartete neben einer Marmorstatue.
    Der Hüter kam zu St. Giles und streckte eine Hand aus. Normalerweise salutierten die Angehörigen des Ordens nicht voreinander, erst recht reichte man sich nicht die Hände. Doch der jüngere Mann tippte ihm mit dem Mittel- und Zeigefinger erst einmal, dann ein zweites Mal in die Handfläche. Beim zweiten Mal glitt
eine winzige Kom-Kapsel in St. Giles’ Hand. Der Kommandant ließ sich nichts anmerken und steckte die Kapsel in seine Jackentasche, während er vorgab, sich die Hand am Stoff abzuwischen. Das alles geschah in einem einzigen, fließenden Bewegungsablauf.
    »Zurück aus Australien?«, fragte er und reagierte auf das Handsignal.
    »Ja, Sir, und ich konnte mir in Ruhe die Yaminon ansehen. Wunderschöne Geschöpfe.«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, erwiderte St. Giles und fügte in Gedanken an: Wenn man Wombats mag. Aber es war das korrekte Passwort für den heutigen Tag. »Gab es sonst noch etwas?«
    »Nein, Sir.«
    Mit einer Handbewegung schickte er den jüngeren Mann weg und

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