Der dunkle Kreuzzug
das wir nicht sehen können? Was befindet sich an diesem blinden Fleck?«
»Der Zerstörer.«
» Natürlich der Zerstörer, meine alte Freundin. Wir wissen, dass er kommt, wir wissen, dass er hier ist, weil keine geringere Autorität als ra Hesya HeYen es uns gesagt hat. Ihren eigenen Schilderungen zufolge wissen wir sogar, wie er aussieht. Aber was ist er? Was ist es, das wir nicht sehen können, von dem wir aber glauben, es trotzdem zu kennen?«
»Ist das eine Art sSurch’a ?«
»Wenn, dann ist es für mich genauso ein sSurch’a wie für Sie, se Jackie. Ich kenne nicht die Antwort auf meine eigene Frage, und ich bin mir recht sicher, Sie wissen sie auch nicht.«
Jackie ging bis zur Brustwehr und lehnte sich darüber. Vom Ozean her wehte ihr eine kühle, klamme Brise entgegen, auch wenn ihr der Blick darauf durch die Gebäude genommen wurde, die sich bis zum Horizont erstreckten.
»Noch ein paar Achtel Sonne, und es wird wieder Rashk-Wetter sein«, sagte Byar. »Das hier ist das Äußerste, was diese Welt an sonnigem, trockenem Wetter zu bieten hat, seit ich hergekommen bin.« Er ließ wieder den Blick über Jardine schweifen, als hätte er mit den Wolken noch eine Rechnung offen.
»Glauben Sie wirklich, es gibt über das hinaus, was wir bereits wissen, noch irgendwelche Schlussfolgerungen?«
»Ich verstehe den Sinn Ihrer Frage nicht.«
»Das Ganze ist für mich kein so großes Mysterium, se Byar. Die … Stones Leute, wer oder was sie auch sein mögen, haben den Zerstörer geschaffen, damit er die Vuhl besiegt. Und jetzt lassen sie ihn auf die Vuhl los.«
»Aber warum jetzt? Warum haben sie diesen Moment ausgewählt, um den Plan in die Tat umzusetzen? Hätten sie das nicht vor fünf Zyklen machen können? Oder vor zehn? Oder zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Beginn dieses Krieges?«
»Ich habe nicht genug Informationen.« Sie wandte sich zu Byar um. »Es sei denn, Sie wissen etwas, was ich nicht weiß … zu diesem Thema, meine ich.«
»Ich habe eine Mutmaßung. Auf der Grundlage Ihrer Beschreibung des Zerstörers, als Sie ihn während des ersten Kriegsjahrs in Sharia’a sahen, und anhand Ihrer Beschreibung von se Ch’en’ya in dem gleichen Bild …« Seine Flügel nahmen eine Haltung ein, die eine gewisse Abscheu vermittelte. Das Hohe Nest war über ihren Verrat nicht erfreut gewesen, weshalb Byar ihr Verhalten persönlich und offiziell missbilligte. »… sollten wir in der Lage sein, in etwa zu bestimmen, wann sich diese Szene abspielt.«
»Ich wüsste nicht, wie.«
»Wie viel älter war Ch’en’ya in der Szene zu der Zeit, als Sie das Bild sahen?«
»Sicher bin ich mir nicht, aber ich würde sagen, es müssten zwanzig oder fünfundzwanzig Standardjahre gewesen sein.«
»Und gesehen haben Sie das Bild vor etwa fünfundzwanzig Standardjahren. Was bedeuten würde … was Sie sahen, müsste sich, falls es eine echte Vision war, in diesem Standardjahr ereignen. Das Bild wird dann die Folge davon sein, dass der Zerstörer … ›losgelassen‹ wurde.«
Jackie nickte. Sie war im Fürstip zu der gleichen Schlussfolgerung gekommen.
»Nun, se Jackie. Wie alt schien dieses Individuum zu sein?«
»Vielleicht ebenfalls fünfundzwanzig Standardjahre.«
»Ein interessanter Zufall.«
»Ich dachte immer, Sie glauben nicht an Zufälle, alter Freund.«
Byar bewegte wieder amüsiert seine Flügel. »Das tue ich auch nicht. Ich würde vielmehr sogar die Behauptung wagen, dass der Zerstörer genau an oder zumindest nahe dem Zeitpunkt geboren wurde, als Sie seine Zukunft sahen: im Frühjahr 2397, vor fünfundzwanzig Standardjahren.«
Jackie dachte einen Moment lang darüber nach. Byar hatte diesen Punkt aus einem bestimmten Grund angeführt, aber sie kam einfach nicht dahinter.
»Wenn er 2397 geboren wurde, dann würde es zumindest erklären, warum so viele Jahre verstrichen sind. Wenn er Jagd auf die
Vuhl macht, dann muss er alt genug sein, um das überhaupt tun zu können. Aber das erklärt noch nicht, warum es jetzt geschieht. Etwas anderes muss das ausgelöst haben – etwas, das wir nicht sehen können.«
»Das ist der blinde Fleck, se Jackie«, sagte Byar, wobei seine Flügel so etwas wie Zufriedenheit ausdrückten. Es war anscheinend das sSurch’a , zu dem er sie anspornen wollte, damit es ihr aus eigener Kraft gelang, doch Jackie kam es immer noch so vor, als sei da noch irgendetwas anderes. »Aber was wird es für ihn bedeuten, ›losgelassen‹ zu werden?«
»Ich würde sagen, es bedeutet
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