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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sie sagen würden, wenn ich ihnen ohne Gaben entgegentreten würde, ohne Status, in abgerissener Fischerkleidung, in eine Haihaut gewickelt und voller Narben und Schrammen. Und wenn ich ihnen erzählen würde, dass mein Herz für Menschen wie Juniper schlug.
    »Nein«, antwortete ich leise.
    »Schade«, sagte Juniper mit echtem Bedauern. Sie berührte mit der Spitze ihres Zeigefingers mein Brustbein. »Man braucht doch jemanden, der die Melodie des eigenen Herzens kennt – und auch die dunklen, misstönenden Klänge darin. Ist schon verrückt, nicht wahr? Um herauszufinden, wem wir vertrauen können, müssen wir erst riskieren, dass jemand unsere verletzlichste Stelle treffen kann wie wir den Hai mit einer Harpune.«
    Darauf fiel mir keine Antwort ein. Seltsamerweise wurde ich nur traurig.
    Die Graue bellte in ihrem schwebenden Käfig dumpf auf. Mitten auf der Transportfläche lag unberührt der Haufen von Fischködern. Aber als mein Blick zu meinem Hund schweifte, erstarrte ich. Ein schlanker Raubvogel landete direkt über dem Käfig auf dem Galgen des Flaschenzugs, vielleicht ein Falke oder ein Bussard. Ich erwartete, dass er sich ein Stück von den Fischködern schnappen wollte, aber er erhob sich nach wenigen Sekunden fast lautlos in die Luft und wurde vom Nebel verschluckt. Juniper seufzte.
    »Wie du willst, verwandel dich ruhig in einen stummen Fisch. Aber egal, was du mir weismachen willst: Du bist kein gewöhnlicher Mensch, vielleicht warst du es nie. Und Amad ist wie … ein wiedergefundener Name.«
    *
    Unser Gespräch hatte mich aufgewühlt und verfolgte mich noch, als Juniper längst schlief. Und auch das, was sie über Amad gesagt hatte, ließ mir keine Ruhe. Schließlich hielt ich es nicht mehr auf meinem Posten aus. Amad rückte nicht von mir ab, als ich mich neben ihn setzte, so dicht, dass wir Arm an Arm saßen. Es war die Nähe von Trainingspartnern, die mir auch heute Sicherheit gab. Wir haben einen Pakt , redete ich mir zu. Wir teilen Geheimnisse, das ist alles. Und wer kämpft, kommt sich nahe.
    »Kannst du nicht schlafen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Amad? Wenn Lichter einen Menschen verlassen können, können sie sich auch mit anderen Menschen verbinden? Vielleicht auch nur für eine gewisse Zeit? Wie … Gäste? Oder Weggefährten?«
    »Frag deine Bücher, Papierverschlingerin.«
    Beinahe hätte ich gelächelt. »Das ist keine Antwort.«
    »Weil ich keine Antwort darauf habe, Canda.«
    »Wenn nicht du, wer dann? Erinnerst du dich an unseren Pakt? Keine Lügen mehr!«
    »Wir haben einen Pakt?«, sagte er ironisch. »Wenn ich lügen wollte, würde ich dir erzählen, dass du gegen deine Schwester eine echte Chance hast.« Er wandte den Kopf und schenkte mir ein schiefes Lächeln. Sein Haar legte einen Mondschatten über seinen rechten Wangenbogen, aber die fahle Helligkeit der Nebelnacht zeichnete die Linie seiner Lippen nach. Die Lippen, die ich geküsst habe – und die Ydrinn gehören . Es war widersinnig und verrückt, aber in diesem Augenblick wünschte ich, ich wüsste ihren Namen nicht.
    »Worüber denkst du nach?«
    »Über … Bücher«, sagte ich hastig. »Und … Juniper glaubt an ein Ereignis, das alles verändert hat, vor langer Zeit. Und vielleicht ist Ghan auch ein Teil davon – die Kriege, die Zeit des großen Chaos. Meine Familienlegenden erzählen, dass es die Kreaturen seit Anbeginn der Wüste gab. Doch meine Amme hat nie über sie gesprochen und das einzige Buch in der Bibliothek, das sie wissenschaftlich beschreibt, wurde erst vor neunzig Jahren geschrieben. Ich habe mich nie darüber gewundert, wie sehr die Köpfe der Kreaturen Menschenschädeln gleichen. Was, wenn sie Wandelgestalten sind wie die Haie, und ein Zeichen dafür, dass tatsächlich etwas geschehen ist, das die ganze Welt in ein Davor und Danach auseinanderbrechen ließ? Vielleicht ist nichts wahr, was in unseren Büchern steht. Und was, wenn … unsere Lichter uns verlassen, um anderen Menschen zu folgen? Vielleicht bin ich nicht die Einzige, deren Gabe eigene Wege geht.«
    Vielleicht sind manche Lichter sogar ebenso käuflich wie Menschen, setzte ich in Gedanken hinzu. Oder sie sind machtgierig wie die Eroberer aus alten Zeiten. Oder sie lieben Kriege in fernen Ländern. Und vielleicht … alles in mir sträubte sich gegen den Gedanken … wissen die Méganes davon, lassen sie gehen – oder schicken sie sogar fort?
    »Die Antwort findest du wohl nur in Ghan«, erwiderte Amad.
    Ich war fast erleichtert, dass

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