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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ließ ihn wieder hart und dunkel wirken. Er umschloss mein Gesicht sanft mit seinen Händen und küsste mich, als wollte er jede Sekunde bewahren wie einen Schatz.
    »Du wirst mich hassen, Canda …«, flüsterte er.
    »Hassen? Nein …«
    »… und auch wenn du mir niemals verzeihen kannst, bitte ich dich, an dein Versprechen zu denken: Das Leben der Frau zu retten, die ich liebe. Du musst fliehen.«
    Ich setzte mich auf. »Was?«
    Irgendwo in der Ferne erklang der schrille Schrei eines Falken. Amad zuckte zusammen, dann nahm er mich in die Arme und zog mich in den Sichtschutz eines Strauches. Durch die Zweige konnte ich erkennen, dass der Raubvogel in der Ferne kreiste, dort, wo die Hütte war. »Was ist hier los? Warum sagst du mir nicht, was …«
    »Weil es dein Tod wäre.« Die Furcht in seiner Stimme war so spürbar, dass ich Gänsehaut bekam. Er biss sich auf die Unterlippe und holte Luft. »Sie … sie werden bald hier sein.«
    Mein Blick fiel auf seine Unterarme, dort, wo mich am Rande des Bewusstseins schon die ganze Zeit etwas irritiert hatte. Ein Stoffstreifen verbarg seine Traumdeuter-Tätowierung, aber neben dem Streifen waren neue, frische Kratzer neben alten Narben zu sehen. Und in einem schrecklich grellen Blitzlicht fanden sich Bruchstücke und Einzelbilder zu einem schrecklich logischen Ganzen. Und es war schlimmer, als in eiskaltes Wasser zu fallen. Es waren niemals Wunden von Dornen . Sondern von Falkenkrallen.
    »Die … die Raubvögel sind dir die ganze Zeit gefolgt?«, stammelte ich wie in Trance. »Der Falke in den Bergen, der Adler am Schädelhafen – und der Vogel auf dem Schiff. Und vorhin auf der Wiese. Sind sie …«
    »… die Boten, ja«, antwortete er kaum hörbar. »Das Band aus Blut und Federn, das mich mit Ghan und den Méganes verbindet.«
    Das war wie ein Faustschlag in den Magen, der mir alle Luft nahm. Nicht einmal Tians Verrat hatte so sehr geschmerzt. Ich riss mich los und sprang auf.
    »Du hast das Transportboot niemandem abgehandelt? Die Überfahrt haben die Méganes bezahlt. Und du hast die Garde der Méganes die ganze Zeit auf unserer Fährte gehalten!« Amad fing mein Handgelenk, kurz bevor meine Ohrfeige ihn treffen konnte. Er war kreideweiß geworden, Schmerz und Schuld standen ihm ins Gesicht geschrieben. Und er versuchte gar nicht, sich herauszureden.
    »Die Méganes wollen deine Schwester haben. Sie konnten sie nur mit deiner Hilfe finden und ich war die Verbindung zwischen Ghan und dir. Aber die Mégana vertraut mir nicht ganz: Ihre Raubvögel kann nicht einmal ich täuschen, sie zeigen der Garde immer den Weg, den ich auch wirklich gehe. Ich hatte den Befehl, dafür zu sorgen, dass du am Leben bleibst. Außerdem sorgte ich dafür, dass deine anderen Lichter dir nicht zu nahe kommen konnten. Ich beobachtete und belauschte sie in deinen Träumen, und wenn du wach warst, hielt ich sie von dir fern.«
    »Das ist dir ja auch gut gelungen!«
    Er wollte mich berühren, aber ich wich zurück. Es war schrecklich genug, dass ein Teil in mir sich immer noch in seine Arme stürzen wollte.
    »Dann bist du nicht besser als Tian«, stieß ich hervor. »Er hat mich wenigstens verlassen, weil er eine andere liebte. Für dich dagegen bin ich … was? Ein Auftrag?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich, Canda«, flüsterte er gequält. »Und ich würde dich niemals verlassen.« Das Verrückte war, dass er die Wahrheit sagte. Hinter der Maske aus Arroganz und Verrat sah ich immer noch den Mann, der nach und nach, fast unmerklich, mein Herz gewonnen hatte. »Aber ich bin nicht frei«, fuhr er fort. »Du ahnst nicht, wie eng meine Ketten sind und wie gefährlich jedes Wort, das ich sage, für dich ist. Und ja, anfangs warst du nur ein Auftrag, den ich zu erfüllen hatte. Ich redete mir ein, dass du mir nichts bedeutest, dass du zu meinen Feinden gehörst, dass ich dich hassen muss, aber dann …« Die Zärtlichkeit in seinem Blick war kaum zu ertragen. »Und das hier ist das einzige Geschenk, das ich dir jemals machen kann: dich trotz allem gehen zu lassen. Damit du deine Schwester findest.«
    »Und Tian soll ich der Garde überlassen? Was bist du? Ein herzloser Verräter?«
    »Vielleicht ja«, erwiderte er schlicht. »Aber wenn ich die Wahl habe, dich zu retten oder Tian, dann weiß ich, für wen ich mich entscheide.«
    »Noch vor ein paar Tagen hast du mich gebeten, ihn fliehen zu lassen!«
    »Und du hast dich dafür entschieden, ihn zu suchen. Um jeden Preis, auch ohne mich.

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