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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Du hast mich mitgenommen, obwohl du wusstest, was ich bin und welchen Pakt ich erfüllen muss.«
    »Ich dachte, wir finden einen anderen Weg!«
    » Du wirst ihn finden!«, sagte er eindringlich. » Mein Weg endet hier. Ich kann den Fluss nicht überqueren, dafür haben die Méganes gesorgt. Sobald ich das Wasser berühre, sterbe ich.«
    »Was?«
    Er nickte ernst. »Ghans Macht endet hier, der schwarze Fluss ist die letzte Grenze. Ich kann sie nicht überschreiten. Deshalb konnte ich auch nicht zulassen, dass Kallas Tian in den Fluss zieht. Er war bewusstlos und ich hätte ihn nicht retten können. Er wäre ertrunken.«
    »Kallas hätte ihn gerettet!«
    »Glaubst du das wirklich?«
    Ich schluckte. Natürlich wusste ich es besser.
    »Die Méganes werden Tian nicht töten«, sagte Amad. »Nicht, so lange sie Kallas nicht haben. Sie werden weiter nach ihr suchen. Aber du hast die Wahl: Du kannst Kallas über den Fluss folgen. Oder du fliehst am Fluss entlang. Ich halte die Garde so lange auf, bis dein Vorsprung groß genug ist.«
    Es war verrückt: Ich hasste und liebte ihn, wollte ihn umbringen und mich gleichzeitig zu ihm flüchten. »Und du … was geschieht mit dir? Wenn du mich nicht zurückbringst, was werden sie mit dir machen?«
    Er überraschte mich mit einem Lächeln. »Genau das liebe ich an dir: Wer dein Herz berührt, besitzt einen Teil davon für immer. Du kämpfst sogar für die, die dir das schlimmste Leid zufügen.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass man jemanden gleichzeitig verzweifelt hassen und aus tiefster Seele lieben konnte. »Schon wieder weichst du mir aus!«
    In der Ferne erklangen Rufe aus rauen Männerkehlen. Amad sprang auf und nahm meine Hand, und diesmal entzog ich sie ihm nicht. Ich folgte ihm, ohne zu fragen, rannte geduckt im Sichtschutz der Büsche. Erst nach zweiundsechzig Schritten blieben wir schwer atmend stehen und lauschten. Das Hundegebell schien noch weit entfernt, aber es kam näher.
    Amad blickte sich gehetzt um. »Wenn du über den Fluss willst, dann musst du wissen …«
    »Über den Fluss?« Heftig schüttelte ich den Kopf. »Ich kann nicht, ich würde ertrinken.«
    »Vertraust du mir?«
    »Nein!«, sagte ich, ohne zu zögern.
    »Gut! Was auch geschieht, vertraue mir niemals! Aber bevor du mich endgültig verfluchst, erinnere dich daran: Ich habe dir versprochen, dich aufzufangen, wenn du fällst, und habe ich dieses Versprechen je gebrochen? Also glaubst du mir wenigstens, wenn ich dir sage, dass du nicht ertrinken wirst, Canda?«
    Ich glaube dir kein Wort mehr. Das wollte ich sagen. Aber es wären nur Worte gewesen, denn mein Herz sagte etwas anderes. Man liebt, wen man liebt . Wir hatten einen Pakt geschlossen, schon bei unserem ersten Kuss, das erkannte ich nun. Und auch, wenn ich es selbst nicht verstand, ich glaubte ihm tatsächlich, trotz allem. Und er wusste es.
    Er zog mich noch einmal an sich, küsste mich mit einer wilden, verzweifelten Zärtlichkeit, und diesmal erwiderte ich seine Umarmung, als könnte ich mich aus der Zeit stehlen und alles vergessen, was uns trennte. Meine Geschwister riefen etwas, aber auch jetzt hörte ich nicht hin. Ich sah nur Amads Augen, Aquamarinspiegel voller Zärtlichkeit und Angst.
    »Wo ist diesmal der Haken?«, fragte ich. »Wenn ich den Fluss ohne Gefahr überqueren kann, warum sollte ich mich dagegen entscheiden?«
    »Weil alles seinen Preis hat«, sagte er ernst. »Kallas ist klug. Sie weiß, dass niemand, der mit seinen Gaben verbunden ist, ihr über dieses Wasser folgen kann. Deshalb hat sie diesen Fluchtweg gesucht. Über einen Fluss wie diesen geht man nur allein – oder gar nicht.«
    Ich schnappte nach Luft. »Wenn ich den Fluss überquere, verliere ich meine Geschwister?«
    Er legte warnend den Finger über die Lippen und nickte. »Das schwarze Wasser ist eine Grenze, so endgültig wie der Tod. Es trennt jede Fessel. Gewöhnliche können dir auf die andere Seite folgen, die einfachen Soldaten und Söldner, aber kein Hoher, nicht einmal die Méganes persönlich. Es sei denn, sie … geben ihre Lichter frei.«
    Ich starrte auf die andere Seite. Nebel hatte sich erhoben und vermischte sich mit dem kalten Hauch meines Atems. Hier, an diesem eisigen Nebeltag am Ende der Welt, wagte ich endlich das zu sehen, was ich schon so lange ahnte.
    Die Lichter freigeben.
    Das Wasser trennt jede Fessel.
    Fessel.
    Kallas hat Tian belogen. Meine Geschwister sind nicht frei . Ich erinnerte mich an die Wände aus Glas. Jetzt wirkten sie wie

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