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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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lange liebte, wie ich lebte. Aber bisher hatte ich sie nur in deiner Anmut, deinem Glanz, deinem Lächeln erahnen können.« Er blickte an mir vorbei. Selbst jetzt schien ihr Glanz noch in seinen Augen zu reflektieren. »Und nachts, in meinem Traum, kam sie zu mir. Sie hatte Augen wie grüner Samt und Haar wie Sonnenstrahlen. Begegnen konnten wir uns nur im Traum. Aber dann … gab es diese Nacht auf dem Dach, als du und ich zum ersten Mal den Mitternachtswein tranken. Du bist eingeschlafen, an meiner Schulter. Und da konnte sie zu mir sprechen, mit deinen Lippen.«
    Ich fröstelte bei dieser Vorstellung.
    »Sie sagte, sie liebt mich«, fuhr er fort. »Schon ihr ganzes Leben lang habe sie darauf gewartet, dass ich sie endlich wahrnehme. Und sie sagte, wir sind frei, wir können gehen. Sie kann sich von dir lösen und mich fortbringen.«
    »Deshalb hast du mich immer nur mit geschlossenen Augen umarmt«, sagte ich mit erstickter Stimme. »Um dir vorzustellen, es ist sie! Und seit diesem Abend hast du mich Stern genannt. Es war also immer nur mein Glanz, den du umarmt und geküsst hast? Aber … mich … hättest du mich je geliebt? Ohne das, was sie mir geliehen hat?«
    Er sank in sich zusammen und schlug die Augen nieder. Wenn je eine Antwort deutlich gewesen war, dann diese. Ich musste schlucken, um nicht zu weinen.
    »Es … es ging nicht nur um sie«, stammelte Tian. »Du und ich, wir waren verbunden, ja, aber auf eine andere Art. Wie … Freunde.«
    »Freunde?«, sagte ich bitter.
    Er nickte völlig überzeugt, ohne den geringsten Widerspruch in seinen Worten zu bemerken. »Aber mit ihr war es … Weißt du, wie es ist, zu tanzen ohne Gabe, einfach aus dem Herzen? Zu singen, mit Menschen zu sprechen ohne Kalkül und Bündnisse? Nein, du weißt es nicht, du hast es nie erlebt, du bist nur glücklich, wenn du den zementierten Pfaden deiner Familie folgen kannst. Ich dagegen war nur glücklich, wenn ich kein Labranako sein musste. Meine Gaben sind wertvoll für die Stadt, aber mir bedeuten sie nichts, sie sind eine Last, ich hasse es, diese Talente zu haben! Sie passen nicht zu mir. Ich mochte sie nie, und ich würde alles dafür tun, um sie loszuwerden. Ich will keine Macht, ich will einfach nur leben! Aber in Ghan wurde ich lebendig begraben – am Tag meiner Geburt.«
    »Und da hast du entschieden, dass es besser ist, wenn ich statt deiner lebendig begraben werde – im Haus der Verwaisten.«
    Sein Erschrecken war echt. Wenigstens das. »Im Haus der Verwaisten?«, flüsterte er fassungslos. »Aber du bist … die Tochter der höchsten Richterzweiheit!« Jede Farbe wich aus seinem Gesicht, Bronze wurde zu Aschgrau. »Es tut mir leid! Ich wollte dir nicht schaden. Ich dachte, dir würde nichts geschehen, du bist zu wichtig. Viele Hohe haben nur zwei oder drei Gaben. Ich dachte, sie würden einen anderen Partner für dich finden …«
    »Das wolltest du glauben! Damit du Feigling dich mit besserem Gewissen davonschleichen konntest!«
    »Es war der einzige Weg!«, schrie er. »Hätte ich mich ganz offiziell von dir trennen können? Nein, du weißt genau, was ein Vertrag in deiner Stadt wert ist.«
    Deine Stadt. Spätestens jetzt wurde mir klar, wie lange wir schon auf verschiedenen Seiten standen. Nur ich Idiotin habe es nicht bemerkt.
    »Wie konnte meine Schwester sich von mir trennen und gehen?«, fragte ich. »Du warst in meinem Prunkzimmer, nicht wahr? Wie bist du dorthingekommen? Du hast dich über mich gebeugt und meine Schwester gerufen. Folge mir, mein Stern. Wie konntest du an den Wächtern vorbeikommen? Und wie habt ihr …«
    »Oh, jetzt verstehe ich!« Er zog die Brauen zusammen, sein hübsches, weiches Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Misstrauens. »Deshalb haben sie dich aus der Stadt gelassen? Wenn du mich dazu bringst, zu verraten, wie eine Gabe ihre Verbindung zu einem Menschen lösen kann, bekommst du deinen Platz zurück?« Er lachte bitter auf. »Guter Handel. Aber ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet. Doch alles, was ich euch sagen werde, ist das, was die Méganes ohnehin schon wissen: Die Stadt ist wie ein Labyrinth und hat mehr Wege, als du dir träumen lässt. Und unsere Gaben sind frei, sie gehören sich nur selbst, und manchmal verlieben sie sich in einen Menschen.«
    Warum verlassen dich deine Gaben dann nicht? Diese Frage lag mir auf der Zunge. Wenn sie so frei sind und du sie so sehr hasst – warum schickst du sie nicht fort? Und warum muss Kallas heimlich in der

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