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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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habe Geld genug.«
    »Dann such dir selbst Gaben aus, die dir gefallen. Gesundheit, Schönheit, vielleicht sogar die Gabe des Sehens. Ich werde dafür sorgen, dass du sie bekommst. Du weißt ja, wir Morenos bezahlen unsere Schulden immer.«
    Sie lachte leise auf. »Wenn ich Gaben wollte, hätte ich schon lange welche. Aber mal ehrlich, was soll das? Ich kann einer Frau ihr schönes Haar stehlen und es mir um den Kopf flechten, wenn ich selbst keines habe. Und trotzdem bleibe ich kahlköpfig. Nichts gegen euch, aber dann wäre ich doch nichts weiter als … ein Dieb, der mit gestohlenem Gold bezahlt, oder nicht, Canda Moreno?«
    Für einen Augenblick war ich mir gar nicht mehr sicher, auf welcher Seite sie wirklich stand. Und ob ich wollte oder nicht: Ich bewunderte sie für ihren Mut.
    »Hör auf zu reden«, ermahnte mich Meon. »Wir überwältigen sie und gehen allein durch das Tor!«
    Die alte Traumdeuterin schloss die Lider. Indigoblaue Augen schienen mich zu mustern. Dann begann sie zu meiner Überraschung leise zu lachen. »Also schön, Prinzessin Moreno. Du und das Fischermädchen bekommt eure Passage.« Ächzend stand sie auf. Ihre Knochen knackten, als sie den Rücken durchstreckte. »Je eher ich dich und deinen Anhang los bin, desto besser, scheint mir.«
    *
    Ich hatte ein goldverziertes Portal erwartet, aber zu meiner Überraschung führte Manoa uns über steile Treppen in einen felsigen Keller mit langen Gängen.
    »Bist du sicher, dass wir nicht irgendwo in einem staubigen Lagerkeller erschlagen und verscharrt werden?«, flüsterte mir Juniper zu. Aber als ich die ersten Glaswände sah, erkannte ich, dass die Händlervilla nur eine Fassade war, die das wahre Wesen dieses Ortes maskierte: Einst war dieses Gebäude ein kleiner Medaspalast gewesen, vielleicht nur ein Stützpunkt. »Wir sind auf dem richtigen Weg«, raunte ich Juniper beruhigend zu.
    Der letzte Gang endete in einem Raum ohne Fenster und weitere Türen, ein Glaswürfel, hinter dessen Wänden man im Schein von Manoas antiker Öllampe blau bemalten Fels erkennen konnte. Manoa stellte die Lampe auf den Boden, zog aus ihrer Reisetasche zwei blaue Tücher hervor und reichte sie mir. »Verbinde dem Fischermädchen und dir die Augen.« Wir zögerten beide. »Sonst kehrt um und geht zu Fuß«, sagte Manoa trocken. »Ich bin immer noch die Hüterin dieses Weges. Und wie ihr ihn geht, bestimme ich.«
    Ich nahm die Tücher. »Dein Weg, deine Regeln.«
    »Na, wenigstens der Hund wird sehen, wohin sie uns führt«, murmelte Juniper. Sie musste sich sichtlich überwinden, aber kurz darauf standen wir Hand in Hand im Dunkeln. Ich konnte hören, wie Manoa das Licht auspustete.
    Dann sog uns der Boden ein wie ein gieriges Maul aus Glasstaub und Sand und spuckte uns …
    *
    … in eine Welt ohne unten und oben. Hustend und nach Luft ringend kamen wir zu uns, auf Knien und Händen, umwabert von glühender Hitze. Am liebsten hätte ich gejubelt. Wüstenduft! Zu Hause! Ich riss mir die Binde herunter und blinzelte in das staubige Halbdunkel. Über mir leuchteten blaue Zeichnungen, zerkratzt von den Klauen der Kreaturen, die hier eingesperrt gewesen waren. Die Höhle am alten Schlachtfeld!
    Etwas brach unter meinem rechten Knie, Stücke von der obersten, schieferartigen Schicht der Felswand, die die Kreaturen von der Wand gekratzt hatten. Fragmente der Zeichnungen. Ich hob eines davon auf. Es war sandiger Stein, durch und durch gefärbt. Und wie bei einem Stück Kreide blieb etwas Farbe an meiner Haut haften.
    Die Wüste überwältigte mich wie eine Umarmung, nach der ich mich wie ein Kind gesehnt hatte. Mein Herz wurde weich und weit, als ich den trockenen Duft nach Sand einsog. Und gleichzeitig wurde ich traurig. In der Nähe lag der mumifizierte Kadaver der Kreatur, die Amad vor wenigen Wochen erlegt hatte, und zwischen den Felsen waren die Grabstätten der Medaskrieger, die vor hundert Jahren hinterrücks ermordet worden waren. Jetzt konnte ich in den Höhlenzeichnungen lesen wie in einem Buch: Das Medasvolk, das in die Wüste gelockt wurde. Ein Krieg in zwei Wirklichkeiten. Kein Geschichtsbuch erzählt davon. Die Wahrheit als Aberglaube gebrandmarkt, Träume mit Schlafmitteln betäubt, Bücher neu verfasst, um uns eine Welt vorzugaukeln, die draußen gar nicht mehr existiert.
    »Der Rest ist Fußmarsch«, erklang Manoas trockene Stimme aus der Höhle. »Tja, ich hoffe, du bist’s wert, Prinzessin Moreno.«

Vor einigen Wochen war mir der Fußmarsch endlos und

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