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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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jeden Atemzug lasen. Dutzende Namen, unter denen das Siegel der Méganes prangte. Und darunter die Unterschriften meiner Eltern, als wäre eine Verhandlung vorangegangen. An manche Abrechnungen waren weitere Dokumente angeheftet: So etwas wie Kaufverträge mit fremdartigen Namen, die ich noch nie gehört hatte, Siegel fremder Städte, unterschrieben mit dunkelbrauner Tinte. Nein, es schienen wohl eher Mietverträge zu sein, Zeiten waren angefügt. Und wieder hatten meine Eltern unterschrieben. Ich warf die Papiere zurück und suchte weiter.
    Immerhin stöberte ich auch eine kleine Taschenlampe und ein Messer auf. Es diente zwar zum Öffnen von Briefen, aber es war besser als nichts. Wofür?, höhnte mein Verstand. Um die Kreaturen der Wüste damit zu töten? Trotzdem wickelte ich meine Beute in das Stück Stoff, das einige alte Bücher schützte, und band es mir wie einen Geldgürtel um die Taille. Ein paar Münzen, die ich ebenfalls hineingestopft hatte, fielen heraus. Ich ging auf die Knie und sammelte das Geld wieder ein. Mein Blick fiel in das unterste leere Regalfach, aus dem ich die Schublade herausgerissen hatte. Ich leuchtete in die Öffnung und hätte am liebsten einen Triumphschrei ausgestoßen. Ein Türschloss! Es war so gut versteckt wie das Schloss zum Mörderwinkel des goldenen Saals zu Hause. Und Marams größter Schlüssel passte.
    *
    Ein schmaler Teil des Schrankes schwang mit einem leisen Knarzen wie eine Tür nach innen. Staubiger Kellergeruch wehte mir entgegen. Abgestandene Luft und der Dunst von Schweiß und ungewaschener Kleidung. Ich stand vor einem langen Gang, der zu einer Treppe führte. Ich hatte also recht gehabt, als ich die Abmessungen des Hauses im Kopf berechnet hatte. Hier ging es zum hinteren Trakt des Gebäudes. Das Licht der Taschenlampe warf schwankende Schatten, während ich die Stufen hinaufhetzte. Das müssen Geheimgänge sein, die früher zur Stadtmauer führten . Oder Verteidigungsgänge, durch die heißes Öl zu den Scharten geschafft wurde. Vielleicht führen sie heute zu Vorratsräumen, Kleiderkammern oder …
    »Maram? Was machst du denn …«
    Hätte ich nicht zufällig nach links geschaut, wäre ich genau gegen die Gestalt geprallt, die von einem Stuhl aufsprang. Bei meinem Anblick riss sie die Augen auf. Ihr empörter Schrei setzte sich als Echo durch die Gänge fort. Und ging in ein schrilles mechanisches Kreischen über, eine Alarmklingel, so laut, dass sie jeden Gedanken zerriss. Wie in einem Albtraum, in dem ich sah, aber nicht hörte, nahm ich wahr, wie sich die kräftige Frau ohne Zögern auf mich stürzte. Mit einem Satz wich ich ihr aus, stolperte und schlug lang hin. Den Schmerz des Aufpralls spürte ich kaum, nur die Hände, die sich in meinen Nacken krallten, das Knie zwischen meinen Schulterblättern. Ich warf mich mit aller Kraft herum. Meine Faust mit den Schlüsseln schnellte nach oben. Die Frau zuckte zurück, als sie die Metallzinken auf ihre Augen zuschießen sah. Und in diesem Moment trat ich zu. Meine Ferse traf ihre Hüfte und schleuderte sie zurück. Sie stieß gegen ihren Stuhl und stürzte, ihr Mund aufgerissen zu einem Schrei, den ich in dem Alarmgeheul nicht hörte. Ich rappelte mich hoch und rannte, gehetzt vom Schrillen, das mir den Schädel auseinanderzusägen schien. Durch den Alarm hindurch glaubte ich Rufe zu hören, zu spüren, wie der Boden unter stampfenden Füßen bebte. Der abgestandene Geruch wurde immer schlimmer, Hitze trieb mir den Schweiß aus den Poren. Aber ich konnte nicht zurück. Der einzige Weg nach vorn war ein schmaler Durchgang. Mit einem Satz sprang ich über eine Schwelle – und schlitterte über viel zu glatten Boden. Keuchend und mit den Armen rudernd fand ich mein Gleichgewicht. Es war eine Art Zwischenboden und er endete an verwitterten Mauersteinen. Am Rand lag altes Holz aufgeschichtet, drei Stühle standen herum, eingesponnen in Kokons aus Spinnweben. Ich bin an der Stadtmauer! Aber kein Ausgang.
    Der Alarm verstummte abrupt. »Da ist sie langgelaufen!«, brüllte jemand da draußen.
    Der Kegel meiner Taschenlampe huschte im Zickzack über das Mauerwerk. Und fand eine Scharte. Drei Meter Höhe . Zwei Mauerstücke darunter fehlen, genug Halt für eine Hand und einen Fuß?
    Und als das Licht zu den Stühlen und dem Holzstapel zurückhuschte, begann mein Verstand zu rennen wie ein Tier, das man von der Kette gelassen hatte.
    Es war nicht ganz einfach, die Stühle zu verkeilen und mich an der Konstruktion

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