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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hier hat jemand vor mir getragen.«
    Amadar zuckte mit den Schultern. »Die Tracht gehört einer Hundemagd, es ist gut, wenn die Tiere ihren Geruch in der Nase haben, so bleiben sie ruhig und verraten dich nicht.«
    »Ich soll die Kleidung einer Niedersten tragen?«
    »Willst du etwa als Canda Moreno durch das Tor spazieren? Sei dankbar, dass das Mädchen dir die Sachen als Tarnung überlässt, die Niedersten haben nicht viel zu verschenken.«
    »Du meinst, ein paar Lumpen verbergen, was ich bin? Im mittleren Ring kann ich vielleicht untertauchen, aber sobald wir in den äußersten Ring kommen, sind wir bei den Niedersten – und auch Barbaren laufen dort herum. Ich werde auffallen wie ein blaues Pferd. Glaubst du, die Leute da draußen sind blind?
    »In gewisser Weise sind wir das alle«, konterte er ungerührt. »Wir sehen, was wir erwarten. Und solange du nicht hinkst und dein Gesicht verschleierst wie die Nomaden, werden alle nur eine einfache Hundeführerin sehen, die mich in die Wüste begleitet.«
    Er deutete mein zweifelndes Schweigen als Zustimmung. »Bevor du nach oben gehst …« Er deutete auf den Dolch, der neben mir auf dem Boden lag, »… schneide dir die Haare ab.«
    »Ich soll was ?«
    Sein spöttisches Grinsen brachte mein Blut sofort wieder zum Kochen. »Hält Ungeziefer fern. Nicht meine Regeln, sondern die der Wüste. Glaubst du wirklich, dein Tian wird den Unterschied sehen? Abgesehen davon, dass er dich auch mit langem Haar kaum noch erkennen wird – deine Schönheit hast du doch ohnehin schon verloren.«
    »Aber im Gegensatz zu dir kann ich tatsächlich noch hässlicher werden, Amad-Ar! «, zischte ich.
    Immerhin hatte ich ebenso gut getroffen wie er. Kränkung und Zorn wallten so jäh in seiner Miene auf, dass ich für einen Augenblick einen völlig Fremden sah. »Wage es nie wieder, mir Befehle zu erteilen, Sklave«, setzte ich leise, aber drohend hinzu. »Und schon gar nicht, mich zu beleidigen!«
    Wir fixierten einander, ein stilles Kräftemessen. Wieder fiel mir auf, wie irritierend seine Augen waren. Das Licht schien sich auf seltsame Art darin zu brechen wie in Wasser – oder in Glas. Und da war dieser seltsame Blick, der mich frösteln ließ. Amadar sah mich und sah mich nicht – wie ein Blinder.
    »Ich weiß, dass du es hasst, ein Sklave zu sein, und dass du lieber Scherben essen würdest, als auch nur im selben Raum mit mir zu sein«, setzte ich kühl, aber etwas freundlicher hinzu. »Und du kannst mir glauben, du bist der letzte Mensch, mit dem ich in die Wüste will. So gesehen haben wir also beide keine Wahl und müssen sehen, wie wir zurechtkommen.«
    Er verzog den Mund zu einer verächtlichen Grimasse. »Meine neue Herrin versucht, streng, aber gerecht zu sein. Also schön. Und da du eine Moreno bist, kannst du mir ja sicher auch noch etwas über die Wüste beibringen?«
    »Zumindest weiß ich viel darüber«, erwiderte ich würdevoll. »Jede Meile, die vermessen wurde, jede Höhe jedes Berges, jede Zahl.«
    Er lachte trocken auf. »Das wird dir nichts nützen. Das Einzige, was du wirklich wissen musst: Die Wüste kennt keine Herren, nur Sklaven. Sobald wir die Stadt verlassen, gehören wir ihr ganz und gar. Sie schält dir die Haut von deiner Seele, legt jedes Geheimnis, jeden Gedanken frei, bis du nackt und schutzlos bist. Es ist ihre Entscheidung, ob sie dich ziehen lässt oder dich verschlingt. Sobald wir einen Fuß in den Sand setzen, sind wir beide gleich: ihr Treibwild, ihr Spielzeug und ihre Gefangenen, nichts weiter. Also: Wenn du wirklich so klug bist, wie die Mégana behauptet, lässt du deine Adelsallüren in der Stadt zurück und hörst einfach auf mich, Canda Langhaar!«
    Er warf mir die Taschenlampe zu. Ich fing sie reflexartig auf und musste mich beherrschen, sie ihm nicht hinterherzuwerfen. Hundekrallen klapperten auf der Treppe, dann war ich wieder allein.
    »Arroganter Idiot«, murmelte ich. Ich ging zum Wassereimer und wusch mir Gesicht und Hände. Es war entwürdigend, mich wie eine Hundemagd waschen zu müssen. Schmutzige Bäche flossen auf den Boden. Doch die blaue Farbe ging nicht von den Händen ab. Natürlich dachte ich nicht daran, auch nur eine Strähne abzuschneiden. Auch wenn das Haar seine Goldlichter verloren hatte und matt und ohne Leben war, es war immer noch mein Schmuck, den Tian so liebte. Mit den Fingern entwirrte ich es und flocht es zu einem hüftlangen Zopf. Dann streifte ich die schmutzstarre Tracht des Verwaistenhauses ab. Blaue

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