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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Flecken und Schrammen bedeckten meinen Körper – und dort, wo der Wächter mich in meiner Brautnacht mit der Faust getroffen hatte, verfärbte sich der Bluterguss bereits ins Grüngelbe.
    Ich hielt die Luft an, als ich die Kleidungsstücke voller Ekel überstreifte: eine grob gewebte, schlichte Tunika und lange, weite Hosen – dazu eine Art Schal. Der Stoff kratzte auf der Haut, es gab keine Schnallen oder Knöpfe. Der einfache Gürtel musste geknotet werden – und als ich nach einer Möglichkeit suchte, Marams Schlüsselbund und den Dolch zu verstauen, entdeckte ich neben dem Eimer einen abgewetzten Ledergurt mit drei Köchertaschen, von denen nur eine die Form einer Klinge hatte. Die Scheide für den schwarzen Dolch.
    *
    Ergraute Schnauzen hoben sich witternd, als ich durch die schmale Tür am Ende der Treppe trat. Vierundzwanzig sandgelbe Augenpaare verfolgten aufmerksam jede meiner Bewegungen. Der Geruch nach Hundezwinger war erstickend dicht. Es war noch Nacht, nur ein kleines Öllicht erhellte einen schäbigen Raum. Wüstensand schabte unter meinen Sohlen, vielleicht war er durch die Ritzen in den fadenscheinigen Fenstern hineingeweht worden. Amadar war gerade dabei, zwei weitere Hunde von eisernen Haken an einer Wand loszubinden. Beim Aufrichten entdeckte er mich. Seine Miene versteinerte beim Anblick meines Zopfes. Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ mit den Hunden den Raum.
    »Herrin?« Das Mädchen wagte kaum, mich anzusehen. Sicher war es die Hundemagd, der ich die zerschlissene Tracht verdankte, denn sie trug eine noch schäbigere. Sie war zwar ebenso groß wie ich, aber sie war eine Barbarin, sehr braun gebrannt und trotzdem farblos, mit den ängstlichen Augen der Niedersten. Neben ihr strahlte ich sogar in meiner Verfassung noch so hell wie eine Sonne.
    »Ich soll Euch helfen. Erlaubt Ihr, dass ich Euren Knöchel verbinde?«
    »Ich erlaube es. Wie heißt du?«
    »Smila«, antwortete sie kaum hörbar.
    Sie kniete sich flink vor mich hin und begutachtete meinen Fuß, bevor sie Bandagen und ein breites Lederband hervorholte und einen Stützverband anlegte. Dann zog sie mir leichte Lederschuhe über.
    »So werdet Ihr auch im weichen Sand gut laufen können. Versucht zu gehen!«
    Es war wie Zauberei – mit der Bandage konnte ich auftreten, ohne dass es schmerzte. Smila deutete auf ihre Wange. »Wenn Ihr verzeiht, Herrin: Eure Haut ist heller und strahlender als unsere, ein Sud aus Nussschalen wird sie dunkel färben. Aber dafür …«, sie schluckte, »müsste ich Euer Gesicht berühren.«
    »Tu, was notwendig ist.«
    Es kostete sie offenbar trotzdem Überwindung, dieses Tabu zu brechen. Sie atmete schnell, an ihren zitternden Fingerspitzen konnte ich fast fühlen, wie ihr ängstliches Herz raste, als sie mir eilig die braune Farbe auf Wangen und Stirn strich. Jetzt teilte ich Jenns Schicksal. Und ich hoffe, wir werden eines Tages darüber lachen, Tian. Der Gedanke gab mir einen Stich und ich war froh, die Augen schließen zu können, damit Smila sie mit schwarzer Schminke umranden konnte. Die Schminke duftete nach Zimt und einem Harzöl und überlagerte sogar den Geruch der Kleider. Smilas Bewegungen waren trotz der Eile respektvoll und zart. Für ein paar gestohlene Sekunden gab ich mich der Illusion hin, zu Hause zu sein – in meinem Zimmer, wo meine Dienerin mich für ein Fest herrichtete. Kummer und Heimweh wurden zu einem dumpfen, dunklen Pochen in meinem Bauch.
    »Hast du eine Sondergenehmigung, in den dritten Ring zu dürfen?«, fragte ich in die Stille.
    »Wir sind im vierten Ring, Herrin, nicht weit vom Bluttor.«
    Ich riss die Augen wieder auf. Wir sind heute Nacht unter der Stadtmauer hindurchgekrochen?
    »Stammst du aus diesem Bezirk?«
    »Oh nein! Ich bin eine Tamrar – aus einem der ältesten Stammesdörfer am Fuß der Berge.«
    Also hatte ich sie richtig eingeschätzt. Eine Barbarin von außerhalb.
    »Dann bist du als Saisonarbeiterin hier?«
    Wieder ein hastiges Kopfschütteln. »In jeder Generation hat einer aus meiner Familie das Recht, für die alten Jagdhunde der Méganes zu sorgen. Mein Großvater hat dieses Vorrecht verdient. Er rettete einen Hund der Mégana auf der Jagd vor einem Wüstenlöwen. Er selbst starb dabei. Er wäre stolz auf meinen Posten. Nichts ist der Mégana kostbarer als ihre Jagdhunde.«
    Das glaubt sie tatsächlich , dachte ich. Und auch sie wird eher sterben, als gegen Gesetz und Willen der Mégans zu handeln.
    Das Mädchen führte mir umso

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