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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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noch ein Chaos von Knurren und Geschrei. Staub nahm mir die Sicht und brannte in meiner Lunge. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen. Der Junge hatte Pech: Ich war größer als er und die Panik verlieh mir Kräfte. Aber noch während ich mich aus dem Griff wand, wurde mir klar, dass ich wirklich verrückt wurde: sein Gesicht war vor Wut und Enttäuschung verzerrt – und neben ihm glaubte ich zwei Schatten zu sehen. Sie schienen sich ihm zuzuneigen, als wollten sie ihm etwas zuflüstern. Sein Ausdruck veränderte sich, seine Augen wurden dunkler, Mordlust blitzte darin auf. Der metallische Geruch von nassen Messerklingen schien die Luft zu füllen. Mit einem Schrei riss ich mich los, drehte mich um und floh. Das heißt, ich wollte fliehen, aber eine Pferdeschulter bremste mich – eine Wand aus rauem Fell und zuckenden Muskeln. Ein Arm legte sich um meine Mitte, drückte mir alle Luft aus der Lunge, der Boden schnellte davon. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, saß ich auf dem Pferderücken und sah die Brüder kleiner und kleiner werden. Jetzt, mit vor Verblüffung offenen Mündern, wirkten sie wie Zwillinge. Dann stürzten sie uns hinterher, hoben im Rennen Steine auf und griffen nach ihren Schleudern. »Festhalten«, befahl Amadar. Der Griff um meinen Körper verstärkte sich, das Pferd streckte sich im Galopp und setzte mit einem Sprung über einen niedrigen Dornenwall. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich an Amadar festzuklammern. Die Hecken rasten an uns vorbei. Dornen kratzten über meine Füße, als das Pferd sich in die Kurve legte, schnaubend den Wall umrundete – und durch ein Tor schoss. Ziegen flohen vor dem stampfenden Hufschlag. Rufe gellten hinter uns. Steine pfiffen knapp an uns vorbei. Amadar beugte sich vor und drückte mich weiter nach unten, als wollte er mich schützen. Meine Wange lag an seinem Schlüsselbein, schwarzer Stoff, rau und warm von seiner Haut. Unter meinem linken Arm spürte ich seinen gespannten Nacken und sein Haar, das über meine Hand geweht wurde. Es war wie Hitze und Kälte zugleich.
    Das zweite Tor flog vorbei, das dritte, dann preschte das Pferd in die grelle Wüste hinaus – mitten in eine Gruppe von Pferden, die vorher noch angebunden gewesen waren. Unser zweites Pferd stand schwer bepackt bei ihnen. Auf Amadars Ruf hin galoppierte es aus dem Stand los. Die anderen Pferde folgten uns. Im nächsten Augenblick donnerten wir inmitten dieser kleinen Herde wie auf einem fliegenden Teppich aus aufgewirbeltem Sand dahin.

Empörtes Gebrüll begleitete uns noch eine Weile, aber die Wurfgeschosse erreichten uns nicht mehr und schließlich blieben auch die Rufe zurück, wurden leiser und verhallten ganz. Nur der Wind lief noch mit uns um die Wette, riss an Haaren und Kleidung. Die Graue rannte keuchend und mit hängender Zunge neben uns – aber bald schon konnte sie mit den Pferden nicht mehr mithalten. Nach etwa einer Meile fiel sie zurück und verschwand hinter einem der flachen Hügel, die wir wie im Flug hinter uns ließen. »Halt an!«, rief ich Amadar zu.
    Das Pferd stemmte die Vorderbeine ohne jede Vorwarnung in den Boden und bremste so jäh, dass ich erschrocken aufschrie. Hätte Amadar mich nicht festgehalten, ich wäre kopfüber vom Pferd gestürzt. Die anderen Pferde bockten und verfielen in holprigen Trab, kamen schließlich zum Stehen.
    »Glaubst du mir jetzt, dass der Hund nicht zu gebrauchen ist?«, fuhr Amadar mich an.
    »Das wolltest du mir beweisen? Und darum lieferst du mich diesen Kerlen aus?«
    »Ausgeliefert?« Er lachte auf. »Du wolltest den Hund doch haben. Also war es deine Sache, mit seinen Besitzern zu verhandeln. Ich bin dein Sucher, nicht dein verdammter Lakai!«
    »Du wusstest genau, dass sie nicht nur verhandeln wollten!«, schrie ich.
    »Ja. Und ich hatte dich gewarnt, oder nicht? Zumindest weißt du jetzt, dass du es hier nicht mit gesichtslosen Dienern zu tun hast – sondern mit Menschen. Menschen mit gierigen Herzen und lockeren Fäusten. Und auch wenn du sie für Wilde hältst, denken und fühlen sie nicht anders als du. Sie sind zu klug, um auf Lügen hereinzufallen, auch wenn sie aus dem Mund einer Hohen kommen. Sie haben ihren Stolz, genau wie du und ich. Und wer mit ihren Hoffnungen spielt, muss ein schnelles Pferd haben – und am besten schon einen Fuß im Steigbügel.«
    »Du verteidigst sie?«
    »Ich erinnere dich nur daran, dass es Regeln gibt. Du bist nicht mehr in der Stadt und deine Wahrheit ist nicht das Gesetz für

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