Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
alle anderen. Also hör endlich auf, die Herrin zu spielen. Hier draußen bist du es nicht! Hier ist ein Handel einfach nur ein Handel und eine Lüge eine Lüge.«
    »Aber ein Befehl ist immer noch ein Befehl. Die Mégana hat dir befohlen, mich zu beschützen.«
    »Ich soll dich lebendig bei ihr abliefern. Von unverletzt hat niemand etwas gesagt.«
    Das verschlug mir die Sprache. Ein Windstoß fauchte uns an, vielfarbige Strähnen strichen über meine linke Wange wie tastende Finger. Die Berührung entfachte einen Schauer von Funken auf meiner Haut. In diesem unwirklichen Moment wurde mir bewusst, dass wir immer noch umschlungen auf dem Pferd saßen und er so nah war, dass sein Atem kühl über meine Wange strich. Unter meiner Hand spürte ich sein Herz schlagen – kraftvoll, empört und so schnell wie meines. Dann kam das Erschrecken, das ich immer in seiner Nähe spürte, ein warnender Ruf in meinem Inneren.
    »Lass mich runter!«
    Er zuckte ebenso zurück wie ich und ließ los, als hätte er sich an mir verbrannt. Ich rutschte vom Sattel. Meine Knie waren so weich, dass ich einknickte. Schwer atmend richtete ich mich auf. Die Pferde scheuten und trabten ein Stück davon, nur Amadars Reittier stand still. Erst jetzt fiel mir auf, dass er ohne Zaum und Zügel ritt.
    Er verzog den Mund zu einem arroganten Lächeln. »Sieh es als Lektion. Jetzt hast du zumindest eine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, eine atmende Ware zu sein und jede Gewalt über dein Schicksal zu verlieren.«
    »Ich weiß, wie es sich anfühlt. Ich war im Haus der Verwaisten gefangen, schon vergessen? Ich wurde wie ein Stück Wild durch die Straßen gejagt – auch von dir!«
    Seine Augen waren dunkel wie ein Gewitterhimmel. »Und warum lernst du nichts daraus, Canda-Ara ?«
    Sklavin. Das traf härter als der Fausthieb des toten Wächters.Noch nie in meinem Leben war ich so beleidigt worden. Meine Hand griff ganz von selbst nach dem Dolch, aber die Lederscheide war leer.
    Amadar sprang mit einem geschmeidigen Schwung vom Pferderücken und kam auf mich zu. Ich sah das Schnappen seines Handgelenks kaum. Es wirkte, als hätte er meinen Dolch herbeigezaubert.
    Mein Zorn verflog so schnell, wie er gekommen war, und mit einem Mal war ich nur noch erschrocken über mich selbst und meine Unbeherrschtheit. Amadar las die Bestürzung in meiner Miene. »Ich habe dich doch davor gewarnt, auf die Toten zu hören. Hast du ihr Flüstern nicht gehört? Sie würden alles tun für ein paar Tropfen lebendiges Blut.«
    Er hielt mir die Waffe immer noch hin. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie an mich zu nehmen, aber meine Hand zitterte dabei. Der Griff war kalt wie das Wasser aus dem tiefsten Fels. Die Spitze zeigte auf Amadars Herz, und für eine Sekunde lang hatte ich den verrückten Gedanken, dass er mich absichtlich in Versuchung brachte und sogar hoffte, dass ich zustoßen würde. »Und jetzt?«, fragte er voller Verachtung. »Mutig genug, mich mit einem Sklavennamen anzureden, aber zu feige, eine richtige Herrin zu sein? In der Stadt ist man doch schnell dabei, anderen das Herz zu durchbohren oder ihnen die Hand abzuhacken. Hast du mit deinem Glanz auch deinen Mut verloren? Oder«, schloss er mit kalter Verachtung, »ist Mut einfach nicht deine Gabe, Canda Blauhand?«
    Ich zuckte zusammen, als er mich mit dem geheimen Namen meiner Urahnin ansprach. Woher kennt er ihn?
    Tu es! Töte ihn! Jetzt ist es noch nicht zu spät! Ich kannte diese Stimme nicht. Ich wusste nur, sie gehörte nicht mir – sie war ängstlich und hoch, wie die eines Kindes, und unendlich fremd.
    Sei still! , dachte ich erschrocken. Ich zwang mich dazu, logisch zu denken, ruhig zu werden. Dreh jetzt nicht durch . Die Namensgleichheit war natürlich Zufall – ich hatte immer noch Reste der blauen Farbe an meinen Händen. Woher sollte ein Außenstehender auch Dinge wissen, die nur innerhalb meiner Familie weitergegeben wurden und die nicht einmal Tian jemals erfahren würde? Plötzlich war ich nur noch erschöpft und traurig – und unendlich müde davon, eine Härte zu zeigen, die mir so fremd war, als hätte jemand anderes sie mir aufgebürdet. Und ob ich wollte oder nicht: Amadar hatte recht gehabt. Auf eine verdrehte Weise war ich tatsächlich mit diesem Verrückten verbunden. Wir hatten beide das Kostbarste verloren, was wir hatten: er seine Freiheit – und ich einen Jungen mit rotem Haar. Ich senkte den Dolch und schob ihn zurück in die Lederscheide. Als ich die Waffe losließ,

Weitere Kostenlose Bücher