Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
war es, als würde eine Last von mir abfallen.
    Amadar holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Wie konnte ich nur denken, dass eine Hohe irgendetwas von dem versteht, was ich sage«, murmelte er. Es überraschte mich, wie enttäuscht er klang.
    »Ich … verstehe sehr gut, Amad. « Irgendwo zwischen einer Nacht in einem Feuerring und einer Schlägerei mit zwei Männern hatte ich vergessen, was es hieß, eine Moreno zu sein. Noch nie in der Geschichte meiner Familie hatte sich einer von uns bei einem Niederen entschuldigt. Meine Ahnen hätten mich für dieses Zugeständnis gesteinigt. Aber trotzdem fühlte es sich richtig an.
    Ich hatte nicht gedacht, dass ich Amad jemals aus der Fassung bringen könnte. Alle Feindseligkeit fiel von ihm ab – und plötzlich war er nur ein völlig überraschter junger Mann mit klaren Zügen und Augen, in denen sich die Wüste und der Himmel spiegelten. Gegen meinen Willen war ich fasziniert.
    Eis , dachte ich. So muss gefrorenes Wasser aussehen. Oder erstarrter Schmerz?
    »Was ist mit dir passiert? Wie bist du in unsere Stadt gekommen?«
    »Was willst du hören? Eine rührselige Geschichte von einer tragischen Liebe, einem Verrat, einer Rache? Oder lieber eine Heldenballade?«
    »Die Wahrheit würde mir genügen.«
    Er lachte sarkastisch auf. »Wessen Wahrheit? Eure?«
    Es war erstaunlich, wie mühelos er es schaffte, meinen Zorn wieder zu entfachen. »Du erträgst es nicht, dass ich dich Sklave nenne, aber du beschimpfst mich – und alle von meinem Stand gleich dazu!«, brach es aus mir heraus. »Du willst mir Lektionen erteilen und hasst mich einfach nur dafür, dass ich eine Moreno bin. Ich werde verrückt vor Angst um Tian, aber du machst dich über mein Leid lustig und verurteilst unsere Liebe. Wer beleidigt hier eigentlich wen, Amad?« Und obwohl meine Stimme zitterte, hob ich das Kinn und fügte leise hinzu: »Ich bin tief gefallen, aber noch bin ich nicht am Grund zerschellt. Und ich habe immer noch meinen Stolz – so wie du.« Es war eine Genugtuung zu sehen, dass er meinem Blick nicht standhalten konnte. »Was ist deine Wahrheit?«, beharrte ich. »Meine kennst du nämlich schon – du weißt alles über mein Unglück, und ich hatte nicht die Wahl, ob ich dir davon erzählen will oder nicht. Ich dagegen reise mit einem Fremden. Und wenn ich aufhören soll, die Herrin zu spielen, wie du es nennst, dann hör auch auf, mein Richter zu sein. Wenn wir Seite an Seite gehen, dann will ich wissen, wer du bist!«
    Zum ersten Mal sah er wirklich mich an – verwundert, als er würde er mich erst jetzt wahrnehmen, und mit einem erstaunten Respekt, der mich verwirrte. Ich konnte mir denken, dass ich einen erbärmlichen Anblick bot: ein halb verdurstetes, schmutziges Mädchen in Lumpen, mit zerfranstem Haar und Lippen, die so trocken und rissig waren, dass ein Lächeln genügen würde, um sie wieder zum Bluten zu bringen. Mit anderen Worten: eine todunglückliche, verzweifelte Verrückte, die gegen alle Regeln erleichtert ist, nicht mehr befehlen zu müssen. Wenn meine Eltern mich nicht schon verstoßen hätten – jetzt würden sie es auf jeden Fall tun. Verlegen strich ich mir über die Stirn und zog die Kapuze, die beim Ritt nach hinten gerutscht war, wieder über mein Haar. Staub und Sand rieselten. Im selben Moment ärgerte ich mich schon über mich selbst. Warum macht es dir etwas aus, wenn er dich hässlich findet?
    Amad räusperte sich. »Wenn dir die Wahrheit so wichtig ist, fang bei dir selbst an«, erwiderte er heiser. »Lass mich reden, wenn wir Leuten begegnen. Du kannst nämlich nicht gut lügen.«
    Im Gegensatz zu dir? »Das muss ich auch nicht! Es ist nicht meine Gabe. Und jetzt weich mir nicht aus, sondern gib mir eine Antwort! Woher kommst du?«
    Er schwieg. »Die Hundemagd sagte, du stammst aus einem Land, in dem Schnee fällt«, bohrte ich weiter. »Und du hast in einem Krieg gekämpft?«
    Er nickte widerwillig. »Dem schlimmsten von allen.«
    »Und seitdem musst du den Méganes dienen?«
    Amad schwieg lange. »Ich meine es ernst, Canda«, sagte er dann so leise, als fürchte er, dass der Wind uns belauschen könnte. »Die Mégana konntest du vielleicht einmal täuschen, weil es über ihre Vorstellung geht, dass eine Tochter der Stadt ihr nicht bis zum letzten Tropfen Blut ergeben sein könnte. Aber glaubst du wirklich, du kannst sie um dein Versprechen betrügen?«
    Ich lernte an diesem Tag tatsächlich eine Lektion: Er war keiner von uns, aber er besaß auch

Weitere Kostenlose Bücher