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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Plateau«, rief Amad mir über die Schulter zu. Im selben Moment rutschte der Boden unter mir weg, ich landete auf Knien und Händen, Staub brachte mich zum Husten. Ich fand keinen Halt mehr und riss die Graue mit. Amad streifte den Rucksack ab, riss ein Seil heraus, überall klapperten und klackten die Steine. Meine Handflächen brannten, aber kurz bevor Amad mich erreichte, gelang es mir, einen Fuß gegen einen kleinen Felsen zu stemmen, der wie ein Zahn aus dem Grau ragte. Ich fing das Seil auf, das Amad mir zuwarf. Im Schlepptau ließ ich mich nach oben ziehen. Die Hündin kämpfte an meiner Seite und ich half ihr, so gut es ging, mit einer Hand. Oben fiel der Rucksack um und rutschte uns ein Stück entgegen. Geröll sprang uns an, und ich ließ die Graue für einen Moment los, um mein Gesicht mit dem Arm zu schützen. Als ich mich das nächste Mal nach ihr umsah, rutschte sie unter dem Steingetrommel an einer besonders steilen Stelle wieder bergab. Im ersten Impuls wollte ich meinen sicheren Stand aufgeben und ihr folgen, aber dann begriff ich, dass es eine Chance war. Vielleicht die einzige. »Amad?«, rief ich. »Kannst du sie holen? Ich rutsche sonst ab.«
    Amad fluchte, aber er machte sich noch einmal auf den Weg.
    So schnell ich konnte, kroch ich zum Rucksack und durchsuchte ihn mit fieberhafter Hast. Ich erfühlte Seile, Proviant, einige kleine Holzkisten und eine kleine bauchige Flasche, die mit Fischleder bezogen war, eindeutig ein Geschenk der Fischer. Aber erst als ich sie fand, wusste ich, wonach ich gesucht hatte. Drei Zweige. Amad hatte sie mit Draht umwickelt, damit das Haar sich nicht lösen konnte. Die Berührung des Haars brachte die Verbindung zu Tian wieder zurück: ein Funkenschlag in meiner Seele. Amad mochte Tians Spur tatsächlich wittern wie ein Jagdhund. Ich dagegen fühlte sie: als Zupfen an meiner Seele mit sehnenden, verzweifelten Fingern. Sie führte nach Westen.
    »Glaubst du, ich führe dich nach Süden, wenn er genau vor unserer Nase abgebogen wäre?«
    Amads Beteuerungen echoten wie höhnischer Steinschlag. Nicht einmal von meinen Eltern hatte ich mich so verraten gefühlt.
    »Du lässt dich verwirren und verlierst deinen Weg aus den Augen.«
    »Glaube deinen Träumen kein Wort. Sie sind die Lügen, die die Nacht dir ins Ohr flüstert.«
    »Der Lügner bist du, Amad«, flüsterte ich.
    Jetzt bekam alles einen ganz neuen Sinn. Die Tatsache, dass Amad in der Wüste versucht hatte, mich zum Aufgeben zu bringen. Seine nächtliche Abwesenheit und seine ständige Spurensuche. Aber Spuren war es nicht, wonach er Ausschau gehalten hatte, sondern Hilferufe und Wegzeichen von Tian. Er hatte sie gefunden und vor mir versteckt. Aber warum führt er mich absichtlich in die falsche Richtung?
    Mit grausamer Logik fügte sich der letzte Mosaikstein zum Bild. Vielleicht war ich nicht die Einzige, die ein falsches Spiel mit der Mégana spielte. Gestern, als ich Amad das Fresko des Mädchens beschrieben hatte, blondes Haar und grüne Augen, war tatsächlich ein Schatten auf sein Gesicht gefallen. Seine Geliebte gehört zu den Entführern. Er will sie entwischen lassen. Oder … die Angst verschlug mir endgültig den Atem … hat er selbst etwas mit der Entführung zu tun? Bin ich Teil eines ganz anderen Spiels?
    Ich warf Tians Zeichen zurück in den Rucksack, als hätte ich mich daran verbrannt, und kroch weg, Sekunden bevor Amad zu mir hochblickte.
    Die Zeit verschwamm, denn im nächsten Moment leckte die Graue über meine Hände und Amad ließ sich neben mich ins Geröll fallen und klopfte sich den Staub von der Kleidung. »Irre ich mich oder ist das immer noch dein Hund?«, sagte er verärgert. »Das nächste Mal darfst du ihn selbst den Berg hochzerren.«
    Ich hätte lügen müssen, meinen Schock überspielen, aber ich brachte kein Wort heraus. Jeder Luftzug schmeckte wie Staub und Galle, und ich hasste mich dafür, dass mir plötzlich die Tränen über das Gesicht liefen.
    »Canda?« Für die Sorge in seiner Miene hätte ich ihm den Dolch mitten ins Herz stoßen können.
    »Mein … Fuß. Verstaucht.« Meine Stimme war nur ein Krächzen. Ich beugte mich nach vorne und tastete meinen Knöchel ab, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
    »Ist etwas gebrochen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Komm, ich bringe dich hoch zum Plateau, da kannst du dich ausruhen.« Er legte den Arm um meine Taille und zog mich hoch. Seine Nähe war, als würde ich versengt. Aber während ich auf die Beine kam und

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