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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hoffte, dass er auf mein vorgetäuschtes Humpeln hereinfallen würde, geschah etwas Seltsames mit mir. Es war, als würde ich mit jedem Schritt, den ich auf das Plateau zuging, eine alte Haut abstreifen wie eine Schlange. Eine kalte, gefährliche Ruhe ergriff mich.
    Denk nach, befahl ich mir. Zu den Entführern kann er nicht gehören, das hätten die Méganes herausgefunden. Viel wahrscheinlicher war, dass er nichts davon wusste und dass die Mégana ihn sehr bewusst ausgewählt hatte. Sie war eine kluge Frau, die wusste, dass Liebende zu allem fähig waren – und verratene Liebende noch mehr. Was hatte er vor einigen Tagen gesagt? Dass ich mein Blut ebenso verpfändet hatte wie er. Musste er der Mégana mit seinem Blut versprechen, seine blonde Geliebte zu töten? Ich konnte mir vorstellen, wie das Angebot lautete: Wenn er sie für ihr Verbrechen tötete, blieben ihr die Folter und ein weitaus langsamerer Tod erspart. Aber offenbar hatte die Herrscherin unterschätzt, wie stark die Liebe eines Sklaven sein konnte.
    Ich kannte die Logik meiner Stadt nur zu gut: Fliehen und mich zurücklassen konnte er nicht, die Méganes ließen niemanden ohne Pfand gehen. Vermutlich hatten sie Menschen, die ihm wichtig waren, gefangen genommen. Und wenn er nicht zurückkehrte, bedeutete das für sie einen grausamen Tod. Kehrte Amad nach vergeblicher Suche ohne Tian zurück, nur mit mir, dann würde er zwar sterben, aber seine blonde Schönheit könnte entkommen.
    Zu dem Preis, dass ich Tian dadurch verliere.
    »Nimm den Dolch und töte ihn« , flüsterte der Wind. » Er hat es verdient. Niemand betrügt eine Moreno . Niemand nimmt ihr alles, was sie je liebte!«
    Amad ließ mich auf den Boden der Plateaustufe gleiten und holte den Rucksack. Ich packte einen Stein, überlegte es mir aber anders. Es war zu gefährlich, ihn niederzuschlagen. Er war stärker und schneller. Ich hatte ihn gegen die Kreaturen kämpfen sehen. Und außerdem sträubte sich trotz allem alles in mir, ihn wirklich zu verletzen. Nein, dank meiner Grauen hatte ich ein besseres Mittel. Bithrium. Gift der Sandnatter. Wie hatte es bei Jenns Verhör geheißen? »Nimmt man zu viel davon, erwacht man erst nach zwei Tagen wieder.«
    »Gibst du mir bitte das Wasser?«, fragte ich. »Ich habe Durst.«
    Amad kam mit dem Rucksack zurück und reichte mir die Flasche. Dann beugte er sich über den Rucksack und kramte darin herum. Rasch leerte ich fast die ganze Flasche im Geröll aus, nur einen Schluck ließ ich darin.
    »Was hast du da an deinen Handgelenken?«, fragte ich.
    »Die alten Narben? Die stammen aus einem Kampf im Krieg. Tja, und diese Bisswunde – das warst du.«
    »Das meine ich nicht, ich meine die neuen Kratzer. Sie sind doch höchstens zwei Tage alt.«
    Schlangenhaut klebte an meinen Fingern. Das Viperngift war silbrig und trüb. Ich drückte die Giftdrüse aus und ließ den Zahn unauffällig zwischen die Steine fallen.
    Amad zuckte mit den Schultern. »Dornengestrüpp.«
    Erstaunlich, dass er diesmal nicht log. Tian hatte seine Zeichen in Dornbüschen versteckt. Amad drehte sich um und reichte mir eine Lederbandage. »Hier, damit müsste es gehen. Hast du Schmerzen?«
    Ich wischte mir mit der Hand über den Mund, als hätte ich eben getrunken, und schüttelte den Kopf. »Nur wenn ich auftrete.«
    Ich drückte ihm die Flasche in die Hand und achtete darauf, dass sich unsere Finger dabei wie zufällig etwas zu lange berührten. Mit deinen Waffen kann ich auch kämpfen , dachte ich. »Ich wollte es nicht wahrhaben, aber du hattest recht.« Mein Lächeln gelang mir erstaunlich gut. »Ich habe mich von meiner Liebe und meiner Sehnsucht verwirren lassen. Ohne dich würde ich Tian niemals finden.«
    Es war eine Genugtuung, zu sehen, dass er schlucken musste. Doch noch einen Rest von Gewissen, Bluthund? Und wie erhofft, rettete er sich vor einer Antwort, indem er die Flasche an die Lippen setzte und den letzten Schluck nahm. Jetzt musste ich nur noch warten, bis das Gift wirkte.
    Aber dann wurde mir klar, dass ich ihn unterschätzt hatte. Er spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, er zog die Brauen zusammen und sah die Flasche an. Panik flatterte in mir hoch. Wenn er es jetzt durchschaute, hatte er noch genug Zeit, mich niederzuschlagen und zu fesseln. Und wenn er begreift, dass ich ihn durchschaut habe, wird er mich vielleicht trotz allem töten.
    Er wandte sich mir zu. Verwirre ihn! , schrie es in mir. Lenk ihn ab, gewinne Zeit, egal wie. Es war nur noch ein

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