Der dunkle Punkt
Kneipe. Bertha saß schon im Taxi. Ich schlenderte gemächlich über den Bürgersteig und ließ mir beim Einsteigen Zeit.
»Wohin?« fragte der Taxichauffeur.
Bertha war im Begriff, ihm unser Hotel anzugeben, aber ich kam ihr zuvor. »Zum Hauptbahnhof. Fahren Sie gemütlich. Wir haben keine Eile.«
Wir lehnten uns zurück und gondelten los. Bertha platzte förmlich vor Neugier, aber ich rammte ihr jedesmal, wenn sie den Mund aufmachte, meinen Ellenbogen zwischen die Rippen. Schließlich gab sie alle Versuche auf und begnügte sich mit erbosten Blicken. Am Bahnhof bezahlte ich den Fahrer, lotste Bertha durch die Halle, verfrachtete sie in ein anderes Taxi und nannte das Hotel >Monteleone<. Inzwischen stand Bertha mächtig unter Dampf. Sie kochte vor Wut, und ich kam mir langsam vor wie ein Dompteur im Löwenkäfig. Der Dressurakt hatte soweit geklappt, aber allmählich wurde er lebensgefährlich. Ich atmete auf, als wir vor dem >Monteleone< anlangten.
Ich bugsierte Bertha in die Halle, drückte sie in einen bequemen Sessel, setzte mich neben sie und ermunterte sie freundlich: »Also, sag schon, was du auf dem Herzen hast. Sprich, worüber du willst - außer über das, was in der letzten halben Stunde passiert ist.«
Bertha sah mich empört an. »Das fehlte noch! Bildest du dir etwa ein, ich lasse mir von dir vorschreiben, worüber ich reden darf und worüber nicht? Was, zum Henker, fällt dir eigentlich ein ...«
»Was wir bis jetzt getan haben, ist nicht so wichtig. Das bekommt die Polizei vermutlich ‘raus, wenn sie sich dahinterklemmt. Aber von jetzt an zählt jeder Schritt. Beherrsch dich also, bis wir in unserem Hotel sind. Dort kannst du von mir aus toben, soviel du willst.«
Bertha schnaubte verächtlich. »Sei nur nicht so verdammt hochnäsig. Wenn sie uns bis hierher nachspüren, werden sie uns schließlich erwischen, verlaß dich drauf.«
»Nicht unbedingt.« Ich wartete, bis der Angestellte hinter dem Empfangsschalter zufällig in unsere Richtung blickte; dann stand ich auf, schlenderte hinüber, lächelte ihm einschmeichelnd zu und fragte: »Der Flughafenbus hält doch hier vor dem Hotel, nicht wahr?«
»Ja, er fährt in etwa einer halben Stunde ab.«
»Ist es gestattet, daß wir hier auf ihn warten?«
»Selbstverständlich«, antwortete er freundlich.
Ich bedankte mich und kehrte zu meinem Sessel zurück. Nach einer Weile ging ich zum Zeitungsstand hinüber, betrachtete ein paar Titelfotos, gab Bertha verstohlen einen Wink und steuerte auf den Drugstore zu. Auf dem Weg nach draußen warf ich ein Zehncentstück in einen Spielautomaten, wartete das Ergebnis ab und begab mich dann schnell auf die Straße. Bertha schnaufte hinter mir her. Sie war noch immer geladen.
»Wohin jetzt?« erkundigte sie sich gereizt.
»Zuerst ins Hotel. Dort packen wir unsere Siebensachen, bezahlen unsere Rechnung und ziehen aus.«
»Und dann?«
»Darm begeben wir uns in die Wohnung im französischen Viertel.«
»Alle beide?«
»Sicher. Du schläfst im Himmelbett und ich auf der Couch im Wohnzimmer.«
»Zum Kuckuck, was ist eigentlich los mit dir? Du benimmst dich, als hättest du den Kerl auf dem Gewissen.«
»Ich baue nur vor, weil die Polizei nämlich auf denselben Gedanken verfallen könnte.«
»Wieso?«
»Roberta arbeitet in einer Bank. Die Polizei wird sich ihren Chef vornehmen und ihn ausquetschen. Dabei wird sich herausstellen, daß sie gestern nachmittag eine Unterredung mit einem jungen Mann hatte, der sich als Privatdetektiv ausgab und Informationen in einer Erbschaftssache einholte. Derselbe junge Mann wartete um fünf vor der Bank, bestieg mit Roberta ein Taxi und begleitete sie in ihre Wohnung. Er befand sich noch immer dort, als der Ermordete dem Mädchen auf die Bude rückte. Es würde mich nicht wundern, wenn bei den Ermittlungen herauskäme, daß der Ermordete notorisch eifersüchtig war.«
»Was ist mit Roberta?«
»Da gibt’s drei Möglichkeiten. Erstens, sie hat den Kerl umgelegt und sich aus dem Staube gemacht. Zweitens, sie ist auch eine Leiche, und wir haben sie nicht gesehen, weil sie hinter der Tür lag. Drittens, sie war das nächste Opfer auf der Liste des Mörders und ist ihm entwischt.«
Bertha runzelte die Stirn. »Also, meiner Meinung nach sollten wir uns in ein Taxi setzen, zum Polizeipräsidium fahren und denen die ganze Geschichte auseinandersetzen.«
Ich blieb stehen, schwenkte sie herum und zeigte auf ein Taxi, das auf der anderen Straßenseite parkte. »Da drüben
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