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Der dunkle Punkt

Der dunkle Punkt

Titel: Der dunkle Punkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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weiß ich, warum man die jungen Kerle immer mit Katern vergleicht.«
    »Ja? Warum?«
    »Weil sie an irgendwelchen Straßenecken herumstehen und ihren Liebeskummer laut in die Gegend hinausjaulen. Aber eins kann ich dir versichern, ich hab’ der verdammten Bande die Hölle heiß gemacht. Ich hab’ ein paar von den Weibern vom Balkon aus meine Meinung gesagt.«
    Ich grinste. »Hat das was genützt?«
    »Nein«, antwortete Bertha verdrossen. »Ein paar wurden wütend, aber die meisten haben’s für einen Mordsspaß gehalten.«
    »Kein Wunder, daß du bei diesem Zirkus nicht einschlafen konntest.«
    »Ach, es war gar nicht so sehr der Lärm. Mich machte nur die Unverschämtheit dieser Flittchen rasend. Na ja, man lebt und lernt.«
    »Wirst du nun aus der Wohnung ausziehen?« erkundigte ich mich.
    »Ausziehen?« kreischte sie. »Bist du verrückt? Die Miete ist doch bezahlt!«
    »Ich weiß, aber was hat es für einen Zweck, eine Wohnung zu behalten, in der man nicht schlafen kann?«
    Bertha kniff die Lippen zusammen. »Daran ist nur deine verdammte Extravaganz schuld. Du wirst es eines Tages noch so weit bringen, daß unsere Partnerschaft in die Brüche geht.«
    »Vor einer Pleite brauchst du dich doch jetzt nicht mehr zu fürchten. Du hast doch deine gewinnbringende Baufirma.«
    Sie überhörte meine anzügliche Bemerkung, wandte den Kopf ab und besah sich die Gegend. Offenbar fand sie die eintönigen grauen Häuserreihen sehr reizvoll, denn sie konnte sich von dem Anblick gar nicht mehr losreißen. Nach einer Weile fragte sie: »Hast du Feuer?«
    Wortlos reichte ich ihr meine Streichhölzer, und sie zündete sich eine Zigarette an. Wir fuhren in tiefem Schweigen weiter, bis wir vor dem Gulfpride-Apartmenthaus anlangten.
    »Ich schlage vor, daß wir das Taxi behalten. Das letztemal hab’ ich mir die Beine in den Bauch gestanden, bevor ich eins erwischte, und wir werden wohl nicht lange oben bleiben.«
    »Woher willst du das wissen? Glaubst du, ich bezahle den Kerl dafür, daß er hier unten herumsitzt und Löcher in die Luft starrt?« Sie kletterte schwerfällig aus dem Wagen. »Warten Sie, bis wir im Haus sind«, sagte sie zu dem Taxichauffeur. »Wenn niemand da ist, fahren wir wieder mit Ihnen zurück.«
    Der Mann beäugte das Zehncentstück, das Bertha ihm als Trinkgeld in die Hand gedrückt hatte, knurrte »Okay« und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
    Bertha preßte ihren Daumen so kräftig auf den Klingelknopf, als wollte sie ihn platt drücken. »Liegt wahrscheinlich noch in den Federn«, schnaubte sie. »Wer weiß, wann sie nach Hause gekommen ist. Würde mich nicht wundern, wenn sie gestern nacht zu der Horde gehört hätte, die unter meinem Fenster den Radau machte. In diesem Viertel fängt das Nachtleben anscheinend erst gegen drei Uhr morgens an. Wie die Leute das aushalten, ist mir schleierhaft.« Sie klingelte noch einmal und ließ den Daumen eine halbe Minute auf dem Knopf.
    Plötzlich ertönte der Summer. Ich stieß die Tür auf. Bertha drehte sich um und gab dem Taxichauffeur durch ein Zeichen zu verstehen, daß er nicht länger zu warten brauchte. Dann ging sie vor mir durch die kahle, schäbige Halle und schob ihre hundertfünfundsechzig Pfund Lebendgewicht schnaubend und keuchend die steile Treppe hinauf. »Wenn wir oben sind, überläßt du das Reden am besten mir«, murmelte sie und schnappte nach Luft.
    »Weißt du denn schon, was du ihr sagen willst?« erkundigte ich mich.
    »Na, ich weiß jedenfalls, was ich für Hale herausfinden soll, und das ist die Hauptsache. Die Treppen in dieser verdammten Stadt sind die reinsten Hühnerleitern! Von Komfort haben die Leute wohl noch nie was gehört!«
    Bertha erklomm die letzte Stufe, verschnaufte einen Moment lang und steuerte dann im Eiltempo auf die bewußte Tür zu. Sie wollte gerade anklopfen, als sie bemerkte, daß die Tür einen Spaltbreit offenstand. »Wir sollen wohl gleich ‘reingehen«, entschied sie und gab der Tür einen Stoß.
    »Moment mal.« Ich packte sie am Arm.
    Die Tür schwang langsam auf. Zuerst sah man nur ein Paar merkwürdig verdrehte Füße, dann kamen die Beine zum Vorschein und schließlich der Körper und der Kopf. Es war ein Mann, der zusammengesunken auf einem Stuhl hing. Auf seiner weißen Hemdbrust war ein häßlicher dunkelroter Fleck. Ein angesengtes Sofakissen, das neben dem Stuhl auf dem Fußboden lag, verriet, daß der Täter es als Schalldämpfer benutzt hatte.
    »Mein Gott«, flüsterte Bertha und trat hastig

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