Der dunkle Punkt
Mrs. Cool?«
»Ja.«
»Sie sind gestern abend ausgezogen, wenn ich mich nicht täusche?«
»Stimmt.«
»Heute früh wurde ein Telegramm für Sie abgegeben. Wir haben’s zurückgeschickt. Warten Sie einen Augenblick, vielleicht ist es noch nicht weg. Richtig, hier ist es.«
Er nahm es und händigte es Bertha aus. Sie riß es hastig auf und hielt es so, daß ich über ihre Schulter hinweg mitlesen konnte. Es war in der Nacht in Richmond auf gegeben worden und lautete:
Entschloß mich nach Telefongespräch mit Ihnen zur Rückkehr nach New Odeans. Nehme erste verfügbare Maschine.
Emory G. Hale
9
Wir gingen langsam auf einige Sessel zu. Bertha starrte noch immer auf das Telegramm in ihren Händen.
»Er kann jeden Moment hier eintreffen«, sagte ich. »Es gibt eine ganz frühe Maschine von New York. Richmond muß der Ort sein, wo er auf dem Hinflug zwischenlandete.«
»Ja«, antwortete Bertha zerstreut.
»Wenn er da ist, überlaß das Reden mir.«
Sie riß sich zusammen. »Du hast recht, verdammt noch mal! Sprich du mit ihm. Bertha verfrachtet sich in das nächste Flugzeug und fliegt zurück nach Los Angeles. Falls Mr. Hale sich nach mir erkundigt, kannst du ihm ja sagen, ich müßte mich um einen dringenden Auftrag für die Wehrmacht kümmern. Von unserem Besuch in Robertas Wohnung wirst du ihm vermutlich nichts erzählen, wie?«
»Nein.«
»Mehr wollte ich nicht wissen.«
»Soll ich dich zum Flugplatz begleiten?«
»Kommt nicht in Frage. Das ist mir zu riskant. Du hast uns mit deiner verflixten Wichtigtuerei die Suppe eingebrockt. Jetzt kannst du sie auch allein auslöffeln. Zum Kuckuck, Donald, warum mußt du immer bohren und schnüffeln und alles ganz genau wissen! Du solltest eigentlich mittlerweile gelernt haben, daß nichts dabei herausspringt außer Unannehmlichkeiten. Aber wozu reg’ ich mich überhaupt auf. Dir ist doch nicht zu helfen. Bertha verdrückt jetzt noch ein paar Nußwaffeln und verschwindet danach so schnell wie möglich aus New Orleans.«
»Was ist mit dem Schlüssel zum Apartment?«
»Ich lass’ ihn in der Tür stecken. Auf Wiedersehen.«
Sie machte kehrt und verließ das Hotel.
Ich begab mich in den Speisesaal, stärkte mich mit einem ausgiebigen
Frühstück, ging in mein Zimmer hinauf, machte mir’s in einem Sessel bequem und vertiefte mich in die Morgenzeitung.
Hale traf kurz nach zehn Uhr ein. Ich schüttelte ihm jovial die Hand. »Das ging ja erstaunlich schnell. Sie haben den Bogen ‘raus.«
Er fletschte die Zähne und grinste. »Das kann man wohl sagen. Aber wenn man mit so fixen Arbeitern zu tun hat wie mit Ihnen beiden, muß man sich ‘ranhalten. Wo steckt Mrs. Cool? Unten am Empfangsschalter sagte man mir, sie wäre ausgezogen.«
»Ja, sie wurde leider ganz plötzlich abberufen. Es handelt sich um einen anderen wichtigen Auftrag, der ihre Anwesenheit in Los Angeles unumgänglich macht. Sie läßt Sie grüßen.«
»Danke. Sie arbeiten wohl auch für die FBI?«
»Das hab’ ich nicht behauptet.«
Er lächelte. »Wenn’s der Fall wäre, würden Sie es mir vermutlich nicht auf die Nase binden.«
»Bestimmt nicht.«
»Mehr wollte ich auch nicht wissen. Trotzdem finde ich es bedauerlich, daß Mrs. Cool abgereist ist.«
»Sie meinte, daß sie hier sowieso überflüssig wäre, nachdem wir Roberta Fenn ausgemacht haben.«
»Nun ja, bis zu einem gewissen Grade trifft das zu. Sie haben sich wirklich ganz erstaunlich ins Zeug gelegt. Ich hörte unten am Schalter, daß Mrs. Cool schon gestern abend ausgezogen ist. Dann ist sie wohl noch in der Nacht abgereist?«
»Nein, erst heute früh.«
»Aber sie hat nicht im Hotel geschlafen?«
»Nein. Sie hat im französischen Viertel ein Apartment gemietet. Kennen Sie das Viertel?«
»Leider nicht. Wo liegt denn die Wohnung?«
»Das ist äußerst schwer zu beschreiben. Es ist eine von diesen verdammten Straßen, wo man dauernd im Kreis herummarschiert, um ein halbes Dutzend Ecken biegt, in ebenso vielen Innenhöfen landet und plötzlich ganz woanders ‘rauskommt, als man vorhat. Aber die Wohnung würde Ihnen Spaß machen. Sie ist typisch für das Viertel.«
Pause. Dann ergriff Hale als erster das Wort. »Mrs. Cool hat mir gar nicht erzählt, daß sie so wichtige andere Aufträge ausführt.«
»Sie haben sie nicht danach gefragt, wie?«
»Nein.«
Ich nickte. »Sie ist ziemlich zugeknöpft, sogar ihren Klienten gegenüber. Ich hab’s noch nicht erlebt, daß sie freiwillig mit irgendwelchen Informationen
Weitere Kostenlose Bücher