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Der dunkle Punkt

Der dunkle Punkt

Titel: Der dunkle Punkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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Seite und angelte mir das Schießeisen aus dem Papiermüll. Behutsam steckte ich es ein, ersetzte es durch meinen eigenen Revolver und brachte das Möbel wieder tadellos in Ordnung.
    Es war ein schöner, warmer Tag. Die Morgensonne malte Lichtkringel auf den Fußboden. Auf der Straße herrschte bereits lebhafter Betrieb. Mülltonnen klapperten. Die Jalousien vor den Läden wurden hochgezogen. Ich sah mich noch einmal prüfend um, schloß leise die Wohnungstür und eilte die Treppe hinunter. Im Hof begegnete ich dem farbigen Zimmermädchen. Sie grinste mich an und fragte, ob der große Gentleman schon aufgestanden wäre.
    Ich antwortete, der Gentleman müßte einen ungeheuer festen Schlaf haben oder ausgegangen sein, denn er hätte kein Lebenszeichen von sich gegeben, obwohl ich die Tür beinahe zertrümmert hätte. Sie bedankte sich für die Auskunft und ging weiter.
    Im Hotel fand ich eine Nachricht vor, ich möchte Lockley 9746 anrufen. Ich dachte an Hales alkoholischen Exzeß und fragte mich, ob er im Krankenhaus oder im Kittchen gelandet sein mochte. Unverzüglich begab ich mich in die Telefonzelle und wählte die Nummer. Eine weibliche Stimme meldete sich. »Hallo.«
    »Haben Sie Mr. Lam verlangt?«
    Sie lachte. »Freilich. Hier ist das Büro von Amex-Strumpfimport. Eine wichtige Nachricht für den Generaldirektor der Firma. Es spricht die Chefsekretärin, Ethel Wells.«
    »In der Tat? Was gibt’, Miss Wells?«
    »Es ist Post für Sie gekommen. Ein Telegramm und ein Brief.«
    »Na bitte, das Geschäft blüht. Das liegt an der zugkräftigen Werbung.«
    »Oder an der erstklassigen Vervielfältigung«, entgegnete sie schlagfertig.
    »Ganz recht. Ich komme sofort ‘rüber.«
    Ich nahm mir ein Taxi und ließ mich vor dem Vervielfältigungsbüro absetzen. Ethel Wells schien sich über das Wiedersehen tatsächlich zu freuen. »Wie geht’s Ihnen an diesem schönen, sonnigen Morgen?« erkundigte sie sich.
    »Mäßig.«
    »Das tut mir aber leid. Was war denn los?«
    »Ich hab’ einem Touristen das Nachtleben im französischen Viertel gezeigt.«
    »Machen Sie sich nichts draus. Sie sehen so frisch aus wie ein Gänseblümchen.«
    »Danke. Der Vergleich ist treffend. Ich fühle mich so flau, als hätte man mir die Blütenblätter einzeln ausgezupft.«
    »Ich verstehe. Von Herzen, mit Schmerzen, über alle Maßen und so weiter. Das haben wir schon als Kinder gespielt. Trösten Sie sich. Vielleicht liebt sie Sie.«
    Da mir die passende Antwort nicht einfiel, riß ich das Telegramm auf. Es lautete: An die Amex-Strumpfimport. Schicken Sie mir fünf Dutzend Paar Nylonstrümpfe per Nachnahme. Größe zehneinhalb. Nummer vier auf Ihrer Farbskala. Unterschrift: Bertha Cool. Als Absender hatte sie die Detektei angegeben.
    Der Brief kam aus Shreveport in Louisiana. Das Briefpapier war zartblau getönt und duftete angenehm. Der Text bestand aus einer Zeile: Senden Sie mir sechs Paar Strümpfe, Größe achteinhalb, Farbe Nummer vier. Unterzeichnet war er mit Edna Cutler unter Angabe der Adresse.
    Ich steckte den Brief ein und fragte Ethel Wells: »Wissen Sie, wann ein Zug nach Shreveport abgeht?«
    »Wollen Sie unbedingt mit der Bahn fahren?«
    »Ein Bus tut’s auch.«
    Sie griff in ein Fach unterhalb des Schalters, holte ein Kursbuch hervor, schlug es auf und schob es mir herüber.
    »Jetzt wird mir erst klar, welchen Fehler ich gemacht habe«, gestand sie.
    »Wieso?«
    »Ich hätte meine Strümpfe durch die Post bestellen und meine Privatadresse angeben müssen.«
    »Warum probieren Sie’s nicht mal?«
    »Das ist eine gute Idee.« Sie kritzelte mit dem Bleistift Spiralen und Zickzacklinien auf ihren Stenogrammblock. »Ich werde darüber nachdenken.«
    Ich gab ihr das Kursbuch zurück. »Ich habe heute außerhalb zu tun, Miss Wells«, erklärte ich würdevoll. »Sollte jemand nach mir fragen, dann sagen Sie bitte, ich wäre bei einer wichtigen Konferenz.«
    »Ja, Sir. Und was geschieht mit der Post?«
    »Es werden keine Briefe mehr kommen.«
    »Einer bestimmt. Wollen wir wetten?«
    »Gut. Mein Einsatz ist ein Paar Nylonstrümpfe. Und Ihrer?«
    »Alles, was Sie wollen. Mal sehen, wer gewinnt.«
    »Einverstanden! Die Wette gilt. Aber Sie müssen mir den Brief vorzeigen. Wenn ich die Adresse nicht kenne, kann ich den Auftrag nicht ausführen.«
    Sie lächelte. »Ich weiß. Alles Gute für Shreveport.«

15

    Gegen acht Uhr abends stand ich vor dem Haus in Shreveport, das Edna Cutler in ihrem Brief angegeben hatte, und klingelte. Die

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