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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wiederum ließ sich die Schlussfolgerung ziehen, dass es die Sowjets waren, die versuchten, telepathischen Kontakt mit ihm aufzunehmen.
    Erst am nächsten Morgen erinnerte sich Powers daran, dass ein drastischer Abfall der GABA-Flüssigkeit des Gehirns stets solche Phosphoreszenzphänomene erzeugte; demnach hatte also niemand versucht, auf telepathischem Weg – sei es mit oder ohne Mikrowellen-Verstärker – mit ihm in Verbindung zu treten. Aber immerhin brachte ihn dieses nächtliche Erlebnis auf die Idee für den Jedermann-Anzug! Powers’ Konstruktion bestand aus einer Quarzlinse mit unzähligen Facetten, die mit einem miniaturisierten Computer zusammengeschaltet war. Die Speicher dieses Computers enthielten bis zu eineinhalb Millionen enkodierter Abbilder partieller physiognomischer Charakteristika einer großen Anzahl von Menschen – Männer, Frauen, Kinder – und der Computer projizierte diese Abbilder nach außen, auf eine hauchdünne, leichentuchähnliche Membran, die groß genug war, um einen durchschnittlichen Menschen zu umhüllen.
    Wenn der Computer dann sein in einer Endlosschleife gespeichertes Programm durchlaufen ließ, wurde jede nur erdenkliche Augenfarbe, Haarfarbe, Nasenform, Gebissfiguration und Knochenstruktur des Gesichts in die Projektionsvorrichtung eingespeist. Worauf die Membran genau diese körperlichen Charakteristika annahm – bis auf das nächste Sample umgeschaltet wurde. Um seinen Jedermann-Anzug noch effektiver zu machen, programmierte Powers den Computer darauf, die Abfolge der körperlichen Merkmale, die auf der Membran erschienen, nach Zufallskriterien zu variieren. Und um den Kostenfaktor möglichst gering zu halten (den Leuten von der Regierung imponierte so etwas immer ganz besonders), verwendete Powers als Material für die Membran bisher unverwertbare Abfallprodukte eines großen Industrieunternehmens, das bereits Geschäftsbeziehungen zu Washington unterhielt.
    Powers’ Konzeption machte den Träger des Jedermann-Anzugs (natürlich nur innerhalb des Limits von eineinhalb Millionen Sub-Bits, die der Computer speichern und miteinander kombinieren konnte) zu genau das: zu jedem Mann und zu jeder Frau, und das in stündlichem Wechsel. Daher war es völlig sinnlos, den Träger – oder die Trägerin – eines solchen Anzugs beschreiben zu wollen. Natürlich hatte Powers auch seine eigenen, ganz persönlichen physiognomischen Charakteristika in den Computer eingespeist, sodass im rasenden Wirbel der fragmentierten Gesichtszüge zuweilen auch sein eigenes Gesicht an die Oberfläche kam, vom Computer zufällig aus den einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt – ein Ereignis, das nach Powers’ Berechnungen pro Anzug durchschnittlich alle fünfzig Jahre eintreten würde, das heißt, wenn der jeweilige Anzug lange genug in Betrieb war. Einen größeren Anspruch auf Unsterblichkeit konnte Powers nicht erheben.
    »Begrüßen Sie also mit mir den vagen Fleck!«, rief der Versammlungsleiter jetzt und ein allgemeines Klatschen hob an.
    Im Innern seines Jedermann-Anzugs seufzte Fred – der zugleich auch Robert Arctor war – und dachte: Das ist alles so fürchterlich. Einmal im Monat wählte das Amt für Drogenmissbrauch des Orange County einen Undercover-Ermittler aus und schickte ihn zu einer Versammlung von Hohlköpfen wie dieser hier. Heute war also er, Fred, an der Reihe, und während er den Blick über seine Zuhörer schweifen ließ, erkannte er, wie sehr er diese Spießer verabscheute. Sie fanden immer alles toll. Sie lächelten. Sie unterhielten sich großartig.
    Wer weiß, womöglich setzte der Miniaturcomputer seines Jedermann-Anzugs in diesem Augenblick aus der unendlich großen Zahl von gespeicherten Komponenten S. A. Powers zusammen und projizierte ihn auf die Oberfläche der Membran.
    »Aber Spaß beiseite«, sagte der Versammlungsleiter. »Dieser Mann hier…« Er hielt inne und versuchte krampfhaft, sich an den Namen zu erinnern.
    »Fred«, meldete sich Bob Arctor. S.A. Fred.
    »Ja, richtig, Fred.« Der Versammlungsleiter gewann seine Sicherheit zurück und nahm den Faden wieder auf, wobei er das Publikum anstrahlte. »Wie Sie hören können, ähnelt Freds Stimme einer jener Computerstimmen, die ertönt, wenn Sie unten in San Diego am Schalter einer Bank vorfahren – sie ist vollkommen tonlos, künstlich wie die eines Roboters. Mit dieser Stimme, die im Kopf des Zuhörers keinerlei bleibende Eindrücke hinterlässt, spricht Fred auch, wenn er seinen Vorgesetzten im

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