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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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irgendwo in einem fernen Land. Wir bemühen uns mit all unserer Kraft darum, die Identität dieser Männer aufzudecken, die dieses Gift, tagtäglich von mehreren Millionen von Männern und Frauen eingenommen, injiziert, geraucht, aus gehirnzerstörendem Dreck zusammenbrauen. Natürlich ist das eine langwierige Aufgabe, doch am Ende werden wir ihnen, so wahr uns Gott helfe, die Maske vom Gesicht reißen.«
    Eine Stimme aus dem Publikum rief: »Macht sie fertig!«
    Eine andere Stimme, ebenso enthusiastisch: »Schnappt euch die roten Schweine!«
    Dann Applaus, der in immer neuen Wogen heranrollte und nicht mehr zu enden schien.
    Robert Arctor zögerte. Starrte sie an, starrte die Spießer in ihren fetten Anzügen, ihren fetten Krawatten und ihren fetten Schuhen an und dachte: Substanz T kann ihre Gehirne nicht zerstören – sie haben keine.
    »Sagen Sie uns, wie es ist!«, drang eine etwas weniger aufdringliche Stimme zu ihm herauf, die Stimme einer Frau. Arctor ließ seinen Blick über die Zuhörer schweifen und machte sie schließlich aus: eine Dame mittleren Alters, die nicht ganz so fett war und ihre Hände wie zum Gebet ängstlich gefaltet hatte.
    »Jeden Tag«, sagte Fred oder Robert Arctor oder wer auch immer, »fordert diese Seuche ihren Tribut. Und täglich steigen die Profite – aber wohin sie fließen, werden wir…« Er brach ab. Selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte, hätte er den Rest des Satzes nicht mehr aus den Tiefen seines Gehirns heraufbaggern können, obwohl er ihn doch ungefähr Millionen Mal wiederholt hatte, auf der Akademie, bei all den vorangegangenen Vorträgen.
    In dem großen Raum war es jetzt totenstill.
    Er fuhr fort: »Nun, irgendwie dreht sich’s doch eigentlich gar nicht um die Profite. Es geht um etwas anderes. Und es spielt sich vor unserer aller Augen ab.«
    Er stellte fest, dass die Zuhörer keinerlei Unterschied bemerkten – obwohl er vom vorbereiteten Text abgewichen war und jetzt völlig frei improvisierte, das sagte, was ihm gerade in den Sinn kam. Doch wie sollten sie den Unterschied auch bemerken? Was wussten sie schon von dem, was um sie herum vorging? Letztlich interessierte sie das alles doch gar nicht. Die Spießer, dachte er, die in ihren riesigen, festungsgleichen Apartment-Komplexen leben, würden keine Sekunde zögern, das Feuer auf jeden Doper zu eröffnen, der mit einem leeren Kissenüberzug über der Schulter an ihren Mauern kratzt und versucht, ihre elektrische Uhr und ihren Rasierapparat und ihre Stereoanlage zu klauen – alles natürlich noch nicht abbezahlt –, damit er neuen Shit oder seinen nächsten Schuss kriegen kann. Denn wenn er den nicht kriegt, wird er möglicherweise sterben, einfach so, weil er den Entzugsschock und die damit verbundenen Qualen nicht durchsteht. Aber was kümmert das einen, solange man in seiner privaten Festung sitzt und durch die Schießscharten nach draußen späht, solange die Mauern unter Strom stehen und die Wächter genug Munition für ihre Kanonen haben?
    »Stellen Sie sich einmal vor«, sagte Fred nun, »Sie wären ein Diabetiker und hätten kein Geld mehr für den nächsten Schuss Insulin. Würden Sie stehlen, um an das Geld zu kommen? Oder würden Sie sich einfach hinlegen und sterben?«
    Schweigen.
    Im Kopfhörer seines Jedermann-Anzugs meldete sich eine blecherne Stimme: »Ich glaube, Sie sollten sich besser an den vorbereiteten Text halten, Fred. Ich rate Ihnen das wirklich dringend.«
    Über sein Kehlkopfmikrophon sagte Fred oder Robert Arctor oder wer auch immer: »Ich hab den Text vergessen.« Nur sein Vorgesetzter in der Zentrale, der nicht mit Mr. F (alias Hank) identisch war, konnte diese Worte hören. Der Vorgesetzte am anderen Ende der Leitung war Fred für die Dauer dieses PR-Einsatzes zugeteilt worden.
    »Verstaaanden«, schepperte die Stimme im Kopfhörer. »Ich werde Ihnen den Text vorlesen. Sprechen Sie ihn bitte Wort für Wort nach, aber achten Sie darauf, dass die Pausen ganz natürlich wirken.« Ein kurzes Zögern und das Rascheln von Papier. »Wollen mal sehen… Jeden Tag steigen die Profite – aber wohin sie fließen, werden wir… Ungefähr da haben Sie aufgehört.«
    »Ich habe einen psychologischen Block gegen dieses Zeug«, sagte Arctor.
    »… bald herausfinden«, fuhr sein offizieller Souffleur fort, ohne auf Arctors Einwand zu achten. »Dann wird die ganze Strenge des Gesetzes die Hintermänner treffen – und wenn es so weit ist, möchte ich um keinen Preis der Welt in ihrer

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