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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Amt für Drogenmissbrauch Bericht erstattet.« Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein und fuhr dann fort: »Sie müssen wissen, dass jeder Rauschgiftermittler mit seinem Einsatz ein unglaubliches Risiko eingeht. Es ist wohl kein Geheimnis mehr, dass es den Kräften, die hinter dem Drogenhandel stehen, überall in unserem Land gelungen ist, die für die Bekämpfung des Drogenmissbrauchs zuständigen Behörden auf allen Ebenen zu infiltrieren. Zumindest nach Meinung der Experten dürfte an dieser Tatsache kein Zweifel mehr bestehen. Und genau darum ist der Jedermann-Anzug eine notwendige Schutzmaßnahme – damit das Leben dieser wagemutigen, ihrer Sache treu ergebenen Männer nicht in Gefahr gerät.«
    Schwacher Applaus für den Jedermann-Anzug. Dann erwartungsvolle Blicke, die sich auf Fred im Innern seiner Membrane richteten.
    »Wenn Fred jedoch vor Ort, also in der Drogenszene, arbeitet«, fügte der Versammlungsleiter abschließend hinzu, während er sich schon vom Mikrophon entfernte, um Platz für Fred zu machen, »trägt er diesen Anzug natürlich nicht. Er kleidet sich dann wie Sie oder ich beziehungsweise legt zumeist die Hippie-Tracht an, die in den verschiedenen subkulturellen Gruppen üblich ist, in denen sich ein Rauschgiftermittler bei seinen Ermittlungen bewegt.«
    Er gab Fred ein Zeichen, sich zu erheben und an das Mikrophon zu treten. Fred – Robert Arctor – hatte das schon mehrmals mitgemacht und wusste, was er zu sagen hatte und was anschließend auf ihn zukam: Nämlich die ewig gleichen Arschloch-Fragen und das ewig gleiche Maß an dumpfer Beschränktheit. Es machte ihn wütend, dass er gezwungen war, hier seine Zeit zu verschwenden. Alles verlorene Liebesmüh… Und dieses Gefühl der Nutzlosigkeit, das er empfand, wurde mit jedem Mal stärker.
    »Wenn ich Ihnen auf der Straße begegnen würde«, sagte er ins Mikrophon, nachdem der Beifall abgeklungen war, »würden Sie vermutlich sagen: Schon wieder so ein ausgeflippter Rauschgift-Freak. Sie wären angeekelt und würden sich von mir abwenden.«
    Schweigen.
    »Ich sehe nicht so aus wie Sie«, fuhr er fort. »Ich kann mir das nicht leisten. Mein Leben hängt davon ab.« Tatsächlich unterschied er sich in seinem Aussehen gar nicht so sehr von ihnen. Außerdem hätte er die Sachen auch dann angezogen, wenn es sein Job nicht erfordern würde. Ihm gefiel die Kleidung, die er da trug. Aber diese Ansprache, die er hier abspulte, war praktisch von A bis Z von anderen Leuten geschrieben und ihm dann zum Auswendiglernen vorgelegt worden. Zwar konnte er in gewissen Grenzen improvisieren, doch letztlich musste er sich an den Standardtext halten, den alle Rauschgiftermittler verwendeten, die öffentliche Vorträge hielten. Diese Regelung war vor Jahren von einem übereifrigen Abteilungsleiter eingeführt und später durch einen Erlass zur Norm erhoben worden.
    Er wartete, bis das Auditorium seine Worte verdaut hatte. »Ich möchte mein Referat nicht damit beginnen«, sagte er dann, »Ihnen aufzuzählen, was ich in meiner Funktion als Rauschgiftermittler zu tun versuche. Sie wissen ja bereits, dass es mein Job ist, Dealer dingfest zu machen und vor allem die Quellen aufzuspüren, aus denen die illegalen Drogen stammen, die Drogen, die diese Dealer auf den Straßen unserer Städte und in den Gängen unserer Schulen hier in Orange County verkaufen. Nein, stattdessen möchte ich Ihnen zuerst sagen« – hier legte er eine Kunstpause ein, wie man es ihm in den Public-Relations-Kursen auf der Polizeiakademie beigebracht hatte –, »wovor ich mich am meisten fürchte.«
    Nun hatte er seine Zuhörer im Griff – sie schienen nur noch aus offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen zu bestehen.
    »Was ich Tag und Nacht fürchte, ist, dass unsere Kinder, Ihre Kinder und meine Kinder…« Wieder eine Kunstpause. »Ich habe zwei.« Dann besonders ruhig und eindringlich: »Sie sind noch klein. Sehr klein.« Darauf ließ er seine Stimme anschwellen, betonte jedes Wort: »Aber das schützt sie nicht davor, süchtig gemacht zu werden, um des bloßen Profits willen süchtig gemacht zu werden – von denen, die unsere Gesellschaft zerstören wollen.« Eine erneute Pause. »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt«, fuhr er dann wieder etwas ruhiger fort, »wissen wir noch nicht, wer diese Menschen – oder besser: diese Tiere – sind, die sich unsere Kinder als Beute erkoren haben, so, als würden wir hier nicht in den Vereinigten Staaten leben, sondern in einem Dschungel

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