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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wandte sich von ihr ab, der Dunkelheit zu, heftig zitternd.
    »Sie zeigen uns Trailer. Wie im Kino.« Donna legte ihre Arme um ihn und presste ihn so dicht an sich, wie sie nur konnte, wiegte ihn sanft vor und zurück. »Damit wir durchhalten.«
    »Und genau das tust du gerade. Für mich.«
    »Du bist ein guter Mensch. Dir ist verdammt übel mitgespielt worden. Aber dein Leben ist noch nicht vorbei. Du bedeutest mir sehr viel. Ich wünschte…« Sie ließ ihn nicht mehr los, hielt ihn schweigend in ihren Armen, in der Dunkelheit, die ihn von innen heraus aufzehrte, die ihn selbst jetzt, da sie ihn an sich drückte, ihr immer weiter entriss. »Du bist ein guter, freundlicher Mensch, und das alles ist ungerecht, aber so läuft das eben. Versuch, das Ende zu sehen. Irgendwann weit vom Hier und Jetzt entfernt, wirst du den Weg wiedererkennen, den du früher schon gegangen bist. Es wird dir alles wieder einfallen.« Zurückgegeben werden, dachte sie. An dem Tage, da den Menschen alles, was ihnen weggenommen wurde, zurückgegeben wird. Es mag tausend Jahre dauern oder sogar noch länger, aber dieser Tag wird kommen. Vielleicht hast du wie Tony Amsterdam eine Vision von Gott gesehen, die nur vorübergehend verschwunden, aber nicht für alle Zeit erloschen ist. Und tief drinnen in den verbrannten, den immer noch brennenden Schaltkreisen deines Kopfes, die mehr und mehr verschmoren, selbst jetzt, da ich dich halte, hat sich vielleicht ein Funke aus Farbe und Licht gebildet, der sein wahres Wesen nicht preisgibt, aber der dich durch die Jahre, die vor dir liegen, diese schrecklichen Jahre, leiten wird. Ein Wort, nicht einmal ganz verstanden, irgendein winziges Ereignis, das man zwar sieht, doch nicht begreift, der Splitter eines Sterns, begraben unter dem Gerümpel dieser Welt, der dich leiten soll, bis zu dem Tag… Aber wie schwach war dieser Funke; sie konnte ihn sich nicht wirklich vorstellen. Vermengt mit dem Gewöhnlichen, Alltäglichen, war Bob Arctor womöglich etwas aus einer anderen Welt erschienen, für einen Augenblick nur, und alles, was sie jetzt tun konnte, war, ihn in ihren Armen zu halten und zu hoffen.
    Doch wenn er eines Tages darauf stieß, dann würde – falls sie Glück hatten – das Muster von seinem Gehirn wiedererkannt werden. Die rechte Hemisphäre würde den korrekten Vergleich ziehen – und das, obwohl er jetzt nur noch auf einem subkortikalen Niveau zu denken in der Lage war. Und die Reise, diese furchtbare Reise, die ihn so viel gekostet hatte und doch völlig ohne Sinn gewesen war, würde endlich vorüber sein.
    In diesem Moment wurde sie von einem grellen Licht geblendet. Vor ihr stand ein Bulle mit Gummiknüppel und Taschenlampe. »Würden Sie beide bitte aufstehen«, sagte er. »Und mir Ihre Ausweise zeigen. Sie zuerst, Miss.«
    Sie löste sich von Arctor, der zur Seite sank; er hatte den Bullen offenbar überhaupt nicht bemerkt. Während Donna ihre Geldbörse aus der Tasche holte, winkte sie zugleich den Beamten beiseite, dahin, wo Arctor nicht mithören konnte. Mehrere Minuten lang studierte der Beamte im Licht der Taschenlampe ihre Papiere, dann sagte er: »Sie sind ein Geheimagent der Bundespolizei.«
    »Sprechen Sie bitte leise«, zischte Donna.
    »Tut mir Leid.« Der Beamte gab ihr die Papiere zurück.
    »Nun hauen Sie endlich ab, verdammt noch mal.«
    Der Beamte leuchtete ihr kurz mit der Taschenlampe ins Gesicht, wandte sich dann ab und verschwand so geräuschlos, wie er gekommen war.
    Als sie zu Arctor zurückkehrte, wurde ihr klar, dass er den Bullen nicht wahrgenommen hatte. Er nahm jetzt fast nichts mehr wahr. Nicht einmal sie.
    Entfernt konnte Donna den Polizeiwagen hören, der wie ein verklingendes Echo die Straße hinunterfuhr. Ein paar Käfer, vielleicht eine Eidechse, raschelten durch das trockene Gras. In der Ferne schimmerte der Freeway, doch kein Geräusch erreichte sie, er war zu weit weg.
    »Bob«, sagte sie sanft. »Kannst du mich hören?«
    Keine Antwort.
    Alle Schaltkreise sind zusammengebrochen, dachte sie, geschmolzen. Und niemand wird sie wieder aktivieren können, egal, wie sehr sie es auch versuchen. Und sie werden es versuchen.
    »Komm, Bob.« Sie versuchte, ihn hochzuziehen. »Wir müssen los.«
    »Ich kann keine Liebe mehr machen. Mein Ding ist weg«, murmelte er.
    »Sie erwarten uns«, sagte Donna mit fester Stimme. »Und ich hab die Verantwortung dafür übernommen, dass du sicher ankommst.«
    »Aber was soll ich bloß machen, wenn mein Ding weg ist?

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