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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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den Eimer mit – und ich werde dir das Badezimmer dort zeigen. Und danach kommt dann das Badezimmer in der dritten Etage. Aber du musst dir eine Erlaubnis holen, bevor du in die dritte Etage raufgehst, weil da die Bräute wohnen – also frag zuerst jemanden vom Personal und geh nie ohne Erlaubnis rauf.« Er klopfte ihm auf die Schulter. »In Ordnung, Bruce? Alles kapiert?«
    »Okay«, sagte er, während er weiterscheuerte.
    »Du wirst so lange Badezimmer schrubben, bis du so weit bist, dass du gute Arbeit leistest. Es ist völlig egal, was jemand tut, es kommt nur darauf an, dass er es richtig tut, dass er stolz darauf sein kann.«
    »Werde ich jemals wieder so werden, wie ich früher war?«
    »Das, was du früher warst, hat dich hierher gebracht. Wenn du wieder so würdest, wie du früher mal warst, dann würde dich das auch wieder hierher bringen. Und beim nächsten Mal würdest du’s womöglich nicht mehr bis hierher schaffen. Stimmt doch, oder? Du hast Glück gehabt, dass du hierher gekommen bist – du hättest es fast nicht geschafft.«
    »Jemand hat mich hergefahren.«
    »Du bist ein Glückspilz. Beim nächsten Mal würden sie’s vielleicht nicht tun. Vielleicht würden sie dich am Straßenrand aus dem Wagen kippen und sagen: Zum Teufel damit.«
    Er scheuerte unbeirrt weiter.
    »Am einfachsten geht’s, wenn du zuerst die Waschbecken machst, dann die Wanne, dann die Toiletten und erst ganz zuletzt den Fußboden.«
    »Okay.« Er legte den Wischmopp weg.
    »Man muss erst den richtigen Dreh rauskriegen. Das wirst du schon schaffen.«
    Als er genauer hinsah, entdeckte er Risse in der Emaillebeschichtung des Waschbeckens. Er träufelte Reinigungsmittel in die Risse und ließ heißes Wasser drüberlaufen. Dampf wallte auf und er stand regungslos mitten drin, während er immer dichter wurde. Er mochte den Geruch.
     
    Nach dem Mittagessen saß er im Gemeinschaftsraum und trank Kaffee. Die anderen ließen ihn in Ruhe, weil sie wussten, dass er auf Entzug war. Während er so dasaß und aus seiner Tasse trank, konnte er ihre Gespräche verfolgen. Sie kannten sich alle untereinander.
    »Wenn du durch die Augen eines Toten hinaussehen könntest, könntest du immer noch etwas erkennen – aber du könntest die Augenmuskulatur nicht mehr betätigen und daher den Blick nicht auf eine bestimmte Stelle richten. Dir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich irgendein Objekt an dir vorbeibewegt. Du bist wie eingefroren. Einfach nur warten. Das wäre bestimmt furchtbar.«
    Er starrte hinunter auf den Dampf seines Kaffees, nur darauf. Der Dampf stieg auf; er mochte den Geruch.
    »Hey.« Eine Hand berührte ihn. Die Hand einer Frau. »Hey.«
    Er blickte ein wenig zur Seite.
    »Wie geht’s dir?«
    »Gut.«
    »Fühlst du dich schon ein bisschen besser?«
    »Ich fühle mich gut.«
    Er betrachtete den Kaffee und den Dampf und sah weder die Frau noch einen der anderen Anwesenden an, nur den Kaffee. Er mochte die Wärme des Geruchs.
    »Du könntest jemanden sehen, wenn er direkt an dir vorbeiläuft, aber eben nur dann. Du könntest nur das sehen, was in der Richtung liegt, in die du schaust, aber nichts, was in einer anderen Richtung liegt. Wenn ein Blatt oder sonst was über deine Augen fällt – tja, das wär’s dann. Für immer. Nur noch das Blatt. Nichts anderes, du kannst dich ja nicht bewegen.«
    »Okay«, sagte er, den Kaffee, die Tasse, mit beiden Händen haltend.
    »Stell dir mal vor, Empfindungen zu haben, aber nicht zu leben. Zu sehen und sogar zu begreifen, aber nicht zu leben. Einfach nur hinauszuschauen. Zu erkennen, aber nicht zu leben. Ein Mensch kann sterben und trotzdem weiterexistieren. Vielleicht ist das, was manchmal aus den Augen eines Menschen auf dich hinaussieht, schon in seiner Kindheit gestorben. Das, was in einem Menschen bereits tot ist, schaut immer noch hinaus. Es ist nicht einfach der Körper, der dich anblickt, der leere Körper, da ist immer noch etwas drin, aber es ist irgendwann gestorben und schaut nur einfach weiter und weiter hinaus. Es kann nicht damit aufhören zu schauen.«
    Jemand anderes sagte: »Genau das bedeutet es ja letztlich, zu sterben – wenn man nicht mehr aufhören kann, das anzustarren, was immer vor dir ist. Da ist irgendein verdammtes Ding, genau vor dir, und du kannst einfach nichts dagegen unternehmen, eine Wahl treffen oder etwas verändern. Du kannst nur das, was vor dich hingestellt wird, akzeptieren – und zwar so, wie es ist.«
    »Wie würde es dir

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