Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
bremsten ab, um zu gaffen.
    Komm zurück, du Wichser, rief sie in Gedanken, doch der Coca-Cola-Lieferwagen war längst weg. Möglicherweise war er nicht einmal beschädigt worden. Höchstens ein Kratzer. Nun, früher oder später hatte es wohl dazu kommen müssen – dass sie es mit einem Symbol, mit einer Realität aufzunehmen versuchte, die zu mächtig für sie war. Jetzt werden meine Versicherungsbeiträge wieder in die Höhe schießen, dachte sie, als sie aus ihrem Wagen stieg. Wenn du einen Kampf mit dem Bösen ausfichst, bezahlst du dafür in dieser Welt mit hartem Bargeld.
    Ein vorbeikommender Mustang, ein ziemlich neues Modell, wurde langsamer und der Fahrer, ein Mann, rief ihr zu: »Kann ich Sie mitnehmen, Miss?«
    Sie antwortete nicht. Sie ging einfach nur weiter. Eine kleine zerbrechliche Gestalt, die einer Unendlichkeit von Lichtern entgegensah.

 
Vierzehn
     
    Zeitungsausschnitt, Foyer des Samarkand House, Zentrum des Neuen Pfades in Santa Ana, Kalifornien, mit Reißzwecken an eine Wand gepinnt:
     
    Wenn der senile Patient am Morgen aufwacht und nach seiner Mutter ruft, dann erinnern Sie ihn daran, dass sie schon lange tot ist, dass er über achtzig Jahre alt ist und in einem Genesungsheim lebt und dass wir nicht 1913, sondern 1992 schreiben und dass er der Wirklichkeit und der Tatsache ins Gesicht sehen muss, dass
     
    Ein Insasse hatte den Rest des Textes abgerissen. Offensichtlich stammte der Artikel aus einer Fachzeitschrift für Krankenpfleger, er war auf Hochglanzpapier gedruckt.
    »Was du hier zuerst tun wirst«, sagte George, der zum Betreuerstab gehörte, während er ihn durch die Halle führte, »ist, die Badezimmer zu putzen. Die Böden, die Becken und besonders die Toiletten. Es gibt drei Badezimmer in diesem Trakt, eines auf jeder Etage.«
    »Okay«, erwiderte er.
    »Hier ist ein Wischmopp. Und ein Eimer. Weißt du, wie man so was macht? Ein Badezimmer putzen? Fang einfach an – ich werde dir zusehen und dir Tipps geben, wenn du nicht klarkommst.«
    Er trug den Eimer zu der Wanne im hinteren Teil des überdachten Vorbaus, schüttete Reinigungsmittel hinein und ließ dann heißes Wasser einlaufen. Alles, was er sehen konnte, war der entstehende Schaum direkt vor ihm, der Schaum und das Brausen.
    Und er konnte Georges Stimme hören, die von außerhalb seines Gesichtsfeldes kam. »Nicht zu voll, sonst kannst du ihn hinterher nicht hochheben.«
    »Okay.«
    »Es fällt dir wohl etwas schwer, zu sagen, wo du eigentlich bist«, sagte George dann nach einiger Zeit.
    »Ich bin in einem Heim des Neuen Pfades.« Er stellte den Eimer auf den Boden, ließ ihn überschwappen; er stand bloß da und starrte teilnahmslos auf die Bescherung.
    »In welchem Heim des Neuen Pfades?«
    »In Santa Ana.«
    George hob den Eimer hoch, um ihm zu zeigen, wie man den Griff anfassen und den Eimer beim Gehen schwingen musste. »Ich glaube, dass wir dich später auf die Insel oder auf eine der Farmen schicken werden. Aber zuerst geht’s mal aufs Klo.«
    »Das kann ich. Aufs Klo gehen.«
    »Magst du Tiere? Oder Gartenarbeit?«
    »Tiere.«
    »Na, mal sehen. Wir warten, bis wir dich etwas besser kennen. Auf jeden Fall wird das 'ne Weile dauern. Alle, die zu uns kommen, müssen erst mal ’n Monat lang Klos schrubben.«
    »Irgendwie würde ich gerne auf dem Land leben.«
    »Nun, wir unterhalten verschiedene Arten von Rehabilitationseinrichtungen. Wir werden später entscheiden, was für dich am besten ist. Du weißt, dass du hier rauchen darfst. Hier ist’s nicht wie in Synanon – die lassen dich nicht rauchen.«
    »Ich habe keine Zigaretten mehr.«
    »Wir geben jedem Insassen ein Päckchen pro Tag.«
    »Geld?« Er hatte keines.
    »Es kostet nichts. Hier ist alles umsonst. Du hast längst bezahlt.« George nahm den Wischmopp, tauchte ihn in den Eimer und zeigte ihm, wie man scheuert.
    »Weswegen habe ich eigentlich kein Geld?«
    »Aus dem gleichen Grund, warum du keine Brieftasche und keinen Nachnamen hast. Das alles wird dir später zurückgegeben werden. Genau das ist ja unser Programm – dir zurückzugeben, was man dir weggenommen hat.«
    »Diese Schuhe passen mir nicht.«
    »Wir sind auf Spenden angewiesen, aber wir nehmen nur neue Sachen. Später können wir ja mal deine Schuhgröße messen. Hast du alle Schuhe in der Kiste durchprobiert?«
    »Ja.«
    »Na schön, das hier ist das Badezimmer im Erdgeschoss – mach das zuerst. Wenn das erledigt ist, alles blitzblank und so, dann geh nach oben – nimm den Mopp und

Weitere Kostenlose Bücher