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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Vergangenheit. Und für Arctor-Fred-Bruce gibt es nicht einmal mehr das, die Vergangenheit, sondern nur Gegenwart.
    Neben Mike, auf dem Beifahrersitz des von ihm gesteuerten Wagens, hüpfte die eingefallene Gestalt auf und ab. Das Rütteln des Wagens übertrug sich auf sie, setzte sie in Bewegung.
    Ich möchte zu gerne wissen, dachte Mike, ob es wirklich der Neue Pfad war, der ihm das angetan hat. Der eine Substanz in die Welt hinausgeschickt hat, um ihn zu dem zu machen, was er jetzt ist. Und um ihn schließlich wieder bei sich aufzunehmen.
    Um auf diese Weise, inmitten des Chaos, eine Zivilisation nach ihrem Bilde aufzubauen. Wenn es wirklich eine ›Zivilisation‹ ist.
    Er wusste es nicht.
    Er war noch nicht lange genug beim Neuen Pfad; ihre Ziele, so hatte der Direktor ihn einmal belehrt, würde er erst später erfahren, frühestens in zwei Jahren.
    Und diese Ziele, hatte der Direktor gesagt, hatten nichts mit der Rehabilitation von Drogensüchtigen zu tun.
    Niemand außer Donald, dem Direktor, wusste, woher die Gelder kamen, mit denen sich der Neue Pfad finanzierte. Aber es war immer genügend Geld da. Tja, dachte Mike, man kann eine schöne Stange Geld machen, wenn man Substanz T herstellt. Draußen auf abgeschiedenen Farmen, in kleinen Läden, in diversen Institutionen, die unter ›Schulen‹ liefen. Herstellung, dann Verteilung und schließlich Verkauf. Profite allerorten. Sie reichten bestimmt dafür, dass der Neue Pfad liquide blieb und weiter gedeihen konnte – und vermutlich sogar für mehr. Für eine ganze Reihe von Zielen.
    Abhängig davon, was der Neue Pfad eigentlich vorhatte.
    Er wusste etwas – die für die Eindämmung des Drogenhandels zuständige Regierungsstelle wusste etwas –, von dem der größte Teil der Öffentlichkeit, ja selbst die Polizei, keine Ahnung hatte.
    Wie Heroin war auch Substanz T organisch und keineswegs ein Laborprodukt.
    Es war also nicht ohne Doppelsinn, wenn er, wie so oft, dachte, dass all diese Profite dazu beitrugen, den Neuen Pfad bei Kasse zu halten und ihn gedeihen zu lassen.
    Die Lebenden, überlegte er dann, sollten nie dazu benutzt werden, den Absichten der Töten zu dienen. Aber die Toten – er warf einen flüchtigen Blick auf die leere Hülle neben ihm – sollten, wenn möglich, den Absichten der Lebenden dienen.
    Das ist das Gesetz des Lebens.
    Und wenn die Toten überhaupt noch etwas fühlen konnten, dann fühlten sie sich vielleicht besser, wenn sie das taten.
    Die Toten, dachte Mike, die immer noch sehen können, selbst wenn sie nichts mehr begreifen – sie sind unsere Kamera.

 
Sechzehn
     
    Unter dem Ausguss in der Küche, bei den Seifenschachteln und Bürsten und Eimern, fand er ein kleines Stück Knochen.
    Es sah irgendwie menschlich aus – und er fragte sich, ob das Jerry Fabin war.
    Dieser Fund weckte in ihm die Erinnerung an etwas, das schon sehr lange zurücklag: Einmal hat er mit zwei anderen Typen zusammengewohnt und hin und wieder behaupteten sie im Scherz, eine Ratte namens Fred zu besitzen, die unter dem Ausguss lebte. Und als sie einmal total abgebrannt waren, so pflegten sie ihren Bekannten zu erzählen, da haben sie den armen alten Fred aufgegessen.
    Vielleicht war das hier ja einer der Knochen jener Ratte, die unter dem Ausguss gehaust hatte. Die sie erfunden hatten, damit sie nicht so allein waren.
     
    Die Gespräche im Gemeinschaftsraum.
    »Dieser Typ war noch ausgeflippter, als er nach außen hin wirkte. Ich spürte das. Eines Tages fuhr er hinauf nach Ventura und kurvte überall rum, um einen alten Freund zu suchen, der landeinwärts in Richtung Ojai wohnte. Er erkannte das Haus, ohne nach der Nummer zu sehen, hielt an und fragte die Leute, ob er mit Leo sprechen könne. ›Leo ist schon tot. Tut mir Leid, dass Sie das nicht wussten.‹ Und darauf sagte dieser Typ zu ihnen: ›Okay, dann komme ich eben nächsten Donnerstag noch mal wieder.‹ Und er fuhr weg, zurück die Küste runter, und ich schätze, dass er am Donnerstag wieder raufgefahren ist, um Leo zu suchen. Wie findet ihr das?«
    Er hörte zu und trank dabei seinen Kaffee.
    »… das Telefonbuch, in dem nur eine einzige Nummer drinsteht. Egal, wen man sprechen will, man wählt immer diese eine Nummer. Seite für Seite immer nur die gleiche Nummer… Ich sprech natürlich von ner total ausgeflippten Gesellschaft. Und in deiner Brieftasche hast du diese Nummer auch, die Nummer, auf Zettel und Karten gekritzelt, für irgendwelche Leute. Und wenn du die Nummer vergisst,

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