Der dunkle Schirm
niederregneten.
Dann sagte der Mann neben ihm naserümpfend: »Donna, du solltest dich jetzt besser waschen gehen. Du bist nicht sauber.«
Seltsam berührt rief er: »Aber das ist nicht Donna. Oder?« Er hob den Kopf, um sich die alte Frau genau anzusehen, und plötzlich empfand er großes Entsetzen. So etwas wie Tränen standen in ihren Augen, als sie seinen Blick erwiderte, doch sie lachte, lachte und warf die drei Bälle nach ihm. Er duckte sich.
»Nein, Donna, das sollst du doch nicht tun«, sagte der Mann neben ihm. »Nicht nach anderen Leuten werfen. Versuch einfach nur, das nachzumachen, was du im Fernsehen gesehen hast. Du weißt schon, fang sie selbst wieder auf und wirf sie gleich wieder hoch. Aber erst machst du dich mal sauber – du stinkst.«
»Ja«, murmelte die alte Frau und eilte davon. Die drei Gummibälle ließ sie auf dem Boden zurück.
Der Mann neben ihm schloss die Tür und gemeinsam gingen sie den Gang hinunter.
»Wie lange ist Donna schon hier?«, fragte er.
»Sehr lange. Sie war schon da, bevor ich gekommen bin, und das ist sechs Monate her. Sie versucht seit ungefähr einer Woche zu jonglieren.«
»Dann ist das nicht Donna«, sagte er beruhigt. »Nicht, wenn sie schon so lange hier ist. Ich bin nämlich gerade erst vor einer Woche angekommen.« Und er dachte: Donna hat mich in ihrem MG hierher gefahren. Ich erinnere mich daran, weil wir anhalten mussten, um Kühlflüssigkeit nachzufüllen. Und da sah sie noch gut aus. Ruhig und gelassen, mit ihren dunklen, traurigen Augen, in Lederjacke und Stiefeln, mit dem Geldbeutel, an dem der Hasenfuß baumelte. So, wie sie immer aussah.
Er ging weiter, immer noch auf der Suche nach dem Staubsauger. Er fühlte sich jetzt viel besser, aber er konnte nicht verstehen, warum.
Fünfzehn
»Könnte ich irgendwo arbeiten, wo es Tiere gibt?«, fragte er.
»Nein«, sagte Mike, »ich glaube, ich werde dich auf eine unserer Farmen schicken. Ich will, dass du es erst mal mit Pflanzen versuchst, ein paar Monate lang. Draußen im Freien, wo du den Boden berühren kannst. Die Menschen versuchen viel zu oft, nach dem Himmel zu greifen, diese ganzen Raumsonden, die sie hochschießen… Ich will, dass du mit dem Boden…«
»Ich möchte aber bei etwas Lebendigem sein.«
»Aber der Boden ist lebendig. Die Erde lebt noch. Das wird dir gut tun. Hast du Ahnung von Landwirtschaft? Weißt du, wie man sät, kultiviert, erntet?«
»Ich hab in einem Büro gearbeitet.«
»Nun, von jetzt an wirst du im Freien arbeiten. Wenn dein Verstand zurückkehren soll, dann muss das auf natürlichem Weg geschehen. Du kannst nicht durch eigene Anstrengungen wieder zu denken lernen. Du kannst nur immer weiter arbeiten, auf unseren Gemüseplantagen – wie wir sie nennen – die Saat ausstreuen oder den Boden bestellen. Oder Insekten vernichten. Das machen wir sehr häufig – Insekten mit der richtigen Sorte Spray ausrotten. Wir sind allerdings bei der Verwendung von Sprays sehr vorsichtig. Sie können mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen bringen. Sie können nicht nur die Ernte oder den Boden vergiften, sondern auch den, der sie benutzt. Sein Gehirn angreifen… So wie deins.«
»Okay.«
Man hat dich eingesprüht, dachte Mike, während er den Mann ihm gegenüber ansah, und jetzt bist du zu einer Wanze geworden. Wenn man eine Wanze mit Gift besprüht, dann stirbt sie; wenn man einen Mann, sein Gehirn damit besprüht, dann wird er zu einem klickenden und klackenden Insekt, das sich für immer im Kreis bewegt. Eine Reflexmaschine, wie eine Ameise. Eine Maschine, die stets nur die letzte Anweisung wiederholt, die man ihr gegeben hat.
Dein Gehirn wird nie mehr etwas Neues aufnehmen, weil dieses Gehirn sich aufgelöst hat.
Und mit dem Gehirn auch jener Mensch, der einmal aus diesem Kopf herausgeblickt hat. Jener Mensch, den ich nie gekannt habe.
Aber wer weiß, wenn er an den richtigen Ort, an die richtige Stelle gebracht wird, kann er vielleicht hinunterblicken und den Boden sehen. Und erkennen, dass dieser Boden existiert. Und etwas, das lebt, das also anders ist als er, darin einpflanzen. Damit es wächst und Früchte trägt.
Denn genau das ist es ja, was er – es – nicht mehr kann: Diese Kreatur neben mir ist gestorben und kann daher niemals wieder wachsen. Sie kann nur immer mehr verfallen, bis das, was übrig bleibt, auch tot ist. Und das schaffen wir dann weg.
Jemand, der tot ist, hat wirklich keine große Zukunft mehr, eigentlich hat er nur noch seine
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