Der dunkle Schirm
Blüten und steckte sie in seinen rechten Schuh, um sie vor neugierigen Blicken zu verbergen. Ein Geschenk für meine Freunde, dachte er, und tief in seinem Inneren, wo niemand hinsehen konnte, freute er sich schon auf Thanksgiving.
Nachbemerkung des Autors
»Der dunkle Schirm« erzählt die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die für das, was sie taten, viel zu hart bestraft wurden. Eigentlich wollten sie nur eine gute Zeit miteinander und ihren Spaß haben, aber sie waren wie Kinder, die auf der Straße spielen; sie sahen, wie einer nach dem anderen von ihnen getötet wurde – überfahren, verstümmelt, ausgelöscht –, aber sie spielten trotzdem weiter.
Eine Zeit lang waren wir alle sehr glücklich. Wir saßen herum, rackerten uns nicht ab, sondern machten nur Unsinn und spielten. Aber die Zeit war so schrecklich kurz und die Strafe, die dann folgte, überschritt jegliches menschliche Maß. Sogar als wir sie schon sehen konnten, mochten wir nicht daran glauben, dass sie über uns kommen würde. Gerade, während ich das hier schreibe, habe ich zum Beispiel erfahren, dass die Person, auf der die Figur des Jerry Fabin basiert, Selbstmord begangen hat. Einer meiner Freunde, der für Ernie Luckman Pate stand, starb schon, bevor ich mit dem Roman begann. Für einige Zeit war ich selbst eines dieser Kinder, die auf der Straße spielen; genau wie die anderen wollte ich spielen, statt erwachsen zu sein, und auch ich bin dafür bestraft worden. Auch ich stehe auf der unten eingefügten Liste, die eine Aufzählung jener ist, denen ich diesen Roman gewidmet habe, und eine Auflistung dessen, was aus jedem Einzelnen von ihnen wurde.
Drogenmissbrauch ist keine Krankheit, sondern eine Entscheidung, vergleichbar mit der Entscheidung, vor einem heranrasenden Wagen hinaus auf die Fahrbahn zu treten. Man würde das auch nicht als Krankheit bezeichnen, sondern als Fehlentscheidung. Wenn eine ganze Gruppe von Menschen so zu handeln beginnt, dann wird aus der individuellen Fehlentscheidung eine gesellschaftliche – ein Lebensstil. Das Motto dieses speziellen Lebensstils lautet: »Sei jetzt glücklich, weil du morgen schon stirbst.« Aber das Sterben beginnt praktisch auf der Stelle und Glücklichsein ist nur eine Erinnerung. Demnach ist dieser Lebensstil eigentlich nur eine Beschleunigung, eine Intensivierung der gewöhnlichen menschlichen Existenz. Er unterscheidet sich im Prinzip nicht von Ihrem Lebensstil, er ist bloß schneller. Alles spielt sich in Wochen oder Monaten statt in Jahren ab. »Nimm das Bargeld und pfeif auf den Kredit«, wie Villon 1460 sagte. Aber das ist ein Fehler – wenn das Bargeld ein Penny und der Kredit ein ganzes Leben ist.
»Der dunkle Schirm« hat keine Moral; er steht nicht in der Tradition des bürgerlichen Romans. Er soll nicht aussagen, dass diese Menschen falsch gehandelt haben, als sie spielten, statt sich abzurackern; er beschreibt nur die Konsequenzen. Die griechische Tragödie ist ein gesellschaftlicher Reflex auf die Entdeckung der Wissenschaft, die wiederum letztlich auf dem Gesetz der Kausalität fußt. In diesem Roman gibt es kein Schicksal, sondern nur Nemesis, da jeder von uns sich dafür hätte entscheiden können, nicht länger auf der Straße zu spielen. Die Nemesis aber, die über jene kam, die weiterspielten, war entsetzlich, wie ich aus eigener bitterer Erfahrung sagen kann. Ich selbst – ich bin keine Person in dem Roman, ich bin der Roman. Doch damals war das unser ganzes Land. Dieser Roman handelt von mehr Personen, als ich selber gekannt habe. Über einige davon haben wir oft in den Zeitungen gelesen. Die Entscheidung, mit Kumpeln herumzusitzen und Blödsinn zu machen, während das Tonband mitlief, war der größte Fehler, der in unserem Jahrzehnt, den sechziger Jahren, gemacht worden ist, sei es nun innerhalb oder außerhalb des Establishments. Und die Entwicklung überrollte uns. Wir wurden von schrecklichen Ereignissen dazu gezwungen aufzuhören.
Wenn es dabei so etwas wie ›Sünde‹ gegeben hat, dann bestand sie darin, dass diese Menschen die gute Zeit, die sie sich machten, immer wieder ausdehnen wollten und dafür bestraft wurden, aber wenn es so war, dann bin ich – wie ich eben sagte – der Ansicht, dass diese Strafe viel zu hart war, und ich würde es vorziehen, diese Dinge nur in griechischen oder moralisch neutralen Kategorien zu betrachten, sozusagen in Form reiner Wissenschaft, deterministischer, unparteiischer Kausalzusammenhänge. Ich habe sie
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