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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Und das liegt an einer besonderen Vorrichtung, die er trägt, nämlich dem sogenannten ›Jedermann-Anzug‹. Und eben diesen Anzug trägt unser verehrter Gast während seines unermüdlichen Einsatzes für Recht und Ordnung fast ständig. Den Grund dafür werden Sie in wenigen Minuten erfahren.«
    Das Auditorium, das in jeder denkbaren Hinsicht ein 37
    Spiegelbild des Versammlungsleiters war, betrachtete interessiert das Individuum in seinem Jedermann-Anzug.
    »Dieser Mann«, verkündete der Versammlungsleiter,
    »den wir einfach nur Fred nennen wollen, weil er unter diesem Decknamen die Informationen, die er sammelt, an seine Vorgesetzten weitergibt, dieser Mann also kann, sobald er sich einmal innerhalb seines Jedermann-Anzugs befindet, weder durch den Klang seiner Stimme noch durch einen auf technischem Wege erstellten
    Stimmabdruck identifiziert werden – und auch nicht
    durch sein Aussehen. Würden Sie nicht auch sagen, daß er nur wie ein vager Fleck und sonst nichts aussieht?«
    Bei diesen Worten verzog er sein Gesicht zu einem breiten Lächeln. Das Auditorium nickte und lächelte konzili-ant zurück. Ja, das war wirklich lustig.
    Der Jedermann-Anzug stammte aus den Forschungs-
    laboratorien des Bell-Konzerns, eigentlich eine Zufalls-entdeckung, die einem Angestellten namens S. A. Powers wie durch Zauberei gelungen war. Vor einigen Jahren hatte Powers mit enthemmenden Substanzen experimen-tiert, die direkt auf das Nervengewebe einwirkten; eines Abends hatte er sich selbst eine als ungefährlich und nur schwach euphorisierend geltende IV-Injektion verab-reicht, was wider Erwarten zu einem katastrophalen Abfall in der GABA-Flüssigkeit seines Gehirns geführt hatte. Subjektiv hatte Powers die Folgen der Injektion so erlebt, als würden pausenlos geisterhaft phosphorisieren-de Phänomene an die gegenüberliegende Wand seines
    Schlafzimmers projiziert – eine mit irrwitziger Ge-
    schwindigkeit voranschreitende Montage von Bildern, 38
    die in Powers zu diesem Zeitpunkt den Eindruck zeitgenössischer abstrakter Gemälde erweckten.
    Sechs Stunden lang hatte Powers überwältigt beobachtet, wie sich Tausende von Picasso-Gemälden in einer blitzschnellen Schnittfolge vor seinen Augen ablösten, und im Anschluß daran war er mehr Bildern von Paul
    Klee ausgesetzt worden, als dieser Künstler überhaupt während seines ganzen Lebens geschaffen hatte. S. A.
    Powers, über den sich nun eine wahre Sturzflut von Mo-digliani-Gemälden ergoß, hatte die Hypothese aufgestellt (schließlich braucht man für alles eine wissenschaftliche Theorie), daß die Rosenkreuzler diese Bilder auf telepathischem Wege auf ihn abstrahlten, wobei die telepathischen Impulse möglicherweise noch durch hochkomple-
    xe Mikrorelais-Systeme verstärkt werden mochten; aber als ihn dann Kandinsky-Bilder zu martern begannen, erinnerte er sich daran, daß sich das größte Kunstmuseum in Leningrad gerade auf solche nichtgegenständlichen Maler der Moderne spezialisiert hatte. Und daraus nun wieder ließ sich die Schlußfolgerung ziehen, daß die So-wjets versuchten, telepathischen Kontakt mit ihm aufzunehmen.
    Erst am nächsten Morgen erinnerte sich S. A. Powers daran, daß ein drastischer Abfall in der GABA-Flüssigkeit des Gehirns stets solche Phosporeszenzphä-
    nomene erzeugte; demnach hatte also niemand versucht, auf telepathischem Wege – sei es mit oder ohne Mikrowellen-Verstärker – mit ihm in Verbindung zu treten.
    Aber immerhin brachte S. A. Powers dieses nächtliche Erlebnis auf die Idee für den Jedermann-Anzug. Im
    39
    Grunde genommen bestand Powers’ Konstruktion aus
    einer Quarzlinse mit einer Vielzahl von Facetten, die mit einem miniaturistischen Computer zusammengeschaltet war. Die Speicherbänke dieses Computers enthielten ma-ximal eineinhalb Millionen enkodierter Abbilder partieller physiognomischer Charakteristika einer großen Anzahl von Menschen – Männern, Frauen und Kindern. Der Computer projizierte die gespeicherten Abbilder nach außen auf eine hauchdünne, gewandartige Membrane, die groß genug war, um einem durchschnittlichen Menschen zu passen.
    Wenn der Computer sein in einer Endlosschleife ge-
    speichertes Programm durchlaufen ließ, lieferten seine Speicherbänke nach und nach jede erdenkliche Augen-farbe, Haarfarbe, Nasenform, Gebißfiguration und Ge-sichtsknochenstruktur und speisten sie in die Projektions-vorrichrung ein. Die leichentuchähnliche Membrane
    nahm dann alle körperlichen Charakteristika an, die in

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