Der dunkle Schirm
wieder in Ordnung gebracht. Alles sonst schien okay zu sein; allerdings hatte der Automechaniker ziemlich lange die linke Vorderrad-aufhängung untersucht.
»Stimmt da was nicht?« hatte Arctor sich erkundigt.
»Möglich, daß Sie Ärger kriegen, wenn Sie scharf um die Ecke biegen«, hatte der Automechaniker gesagt.
»Schwimmt der Wagen?«
Der Wagen schwamm nicht; jedenfalls hatte Arctor
das bisher nicht bemerkt. Aber der Automechaniker ließ sich nicht dazu herab, genauere Erläuterungen abzuge-ben; er betastete nur immer wieder die Achsschenkel und den ölgefüllten Stoßdämpfer. Arctor bezahlte die Rechnung, und der Abschleppwagen fuhr weg. Dann stieg er wieder in seinen eigenen Wagen und steuerte ihn nord-wärts, zurück nach Orange County. Luckman und Barris saßen jetzt beide hinten.
Während er so dahinfuhr, dachte Arctor über ver-
schiedene andere ironische Parallelen zwischen Rauschgift-Agenten und Dealern nach. Mehrere Rauschgift-
Agenten, die er kennengelernt hatte, hatten sich bei ihrer 150
Arbeit als Dealer getarnt und schließlich wirklich Hasch und am Ende manchmal sogar Smack verkauft. Eine
hübsche Tarnung, die aber zudem im Laufe der Zeit dem jeweiligen Agenten einen Profit brachte, der weit über seinem offiziellen Gehalt lag – selbst dann noch, wenn man die Summen dazurechnete, die der Agent jedesmal dann kassierte, wenn durch seine Hilfe eine große Lieferung Stoff abgefangen werden konnte. Außerdem erlagen die Agenten nach und nach immer stärker der Versu-chung, das Zeug, mit dem sie zur Tarnung handelten, selbst zu konsumieren. Auf diese Weise verstrickten sie sich immer tiefer in die Scene, und bald nahm ihre Existenz als Dealer und Süchtige einen ebenso großen Raum in ihrem Leben ein wie ihre Tätigkeit als Rauschgift-Agenten – was am Schluß dazu führte, daß einige von ihnen ihre dienstlichen Pflichten zu vernachlässigen begannen und sich statt dessen lieber als Full-Time-Dealer etablierten. Andererseits wiederum gab es Dealer, die ihre eigenen Kollegen verpfiffen, weil sie auf diese Weise persönliche Feinde fertigmachen wollten oder hoffen durften, aufgrund ihrer Informantentätigkeit davor geschützt zu sein, in nächster Zeit selber hochgenommen zu werden. Diese Dealer entwickelten sich dann manchmal zu einer Art inoffizieller Geheimer Rauschgift-Agenten.
Die Grenzen waren fließend; alles war dunkel und un-durchschaubar. Die Drogenscene war ohnehin für alle, die in ihr lebten, eine dunkle Welt. Für Bob Arctor zum Beispiel war sie seit diesem Nachmittag dunkler geworden als je zuvor: Während er und seine beiden Kumpels draußen am San Diego Freeway gerade noch einmal dem 151
Teufel von der Schippe gesprungen waren, hatten die Beamten vom Amt für Drogenmißbrauch ihr Haus – wie
er hoffte – sorgfältig verwanzt, und wenn das der Fall war, würde er von jetzt an vor solchen Dingen, wie sie heute geschehen waren, sicher sein. Diese Verwanzung-aktion war ein Glücksfall, der letztendlich darüber entscheiden mochte, ob er, Arctor, vergiftet oder erschossen oder süchtig gemacht wurde oder ob es ihm statt dessen gelingen würde, seinen Feind festzunageln – seinen
Feind, dessen Identität er nicht kannte, der ihn aber längst im Fadenkreuz hatte und ihn heute sogar beinahe schon erwischt hätte. Wenn erst einmal die Holo-Kameras an den vorgesehenen Stellen eingebaut sind, dachte Arctor, dann werden kaum noch weitere Sabotageakte oder Angriffe auf mich möglich sein. Zumindest aber wird dadurch der Erfolg solcher Aktionen in Frage gestellt.
Das war so ungefähr der einzige Gedanke, der ihm etwas Beruhigung verschaffte. Jemand, der gejagt wird, überlegte er, als er den Wagen vorsichtig durch den dich-ten Spätnachmittagsverkehr lenkte, flieht manchmal vielleicht schon, wenn ihm noch niemand unmittelbar auf den Fersen ist – er hatte einmal so etwas gehört, und vielleicht traf das ja wirklich zu. Was aber mit Sicherheit zutraf, war, daß jemand, der gejagt wurde, rasch eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen ergriff und floh, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her, wenn ihm wirklich jemand auf den Fersen war – eine reale Person, die in solchen Dingen erfahren war und zudem aus dem Verborgenen heraus operierte. Und wenn dieser Jäger 152
sehr dicht hinter ihm war. So dicht, dachte Arctor, wie der Rücksitz dieses Wagens. Und wenn der Jäger seine seltsame kleine Kugelspritze vom Kaliber 22, hergestellt in Deutschland, mit seinem ebenso seltsamen
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