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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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erbrach sich auf das Armaturenbrett seines eigenen Wagens. Tausend dünne Sümmchen zwitscherten los, strömten auf ihn ein, und endlich ließ der Gestank nach. Tausend dünne, fremdartige Stimmen, die nach ihm riefen; er verstand nicht, was sie ihm sagen wollten, aber wenigstens konnte er jetzt wieder etwas sehen, und der Gestank, dieser ent-setzliche Gestank, war nun ganz verschwunden. Arctor zitterte und griff nach dem Taschentuch in seiner Hosentasche.
    »Was war in diesen Tabletten, die du uns gegeben
    hast?« fragte Luckman herausfordernd den lächelnden Barris.
    »Zum Teufel, ich hab’ doch selber ein paar eingepfiffen«, sagte Barris, »und du auch. Und wir hatten keine schlechten Trip. Also lag’s nicht am Dope. Und außerdem ist es viel zu schnell losgegangen. Wie hätte es denn am Dope liegen können? Der Magen kann das doch in
    der kurzen Zeit gar nicht absorbieren, und –«
    »Du hast mich vergiftet«, sagte Arctor wild. Sein
    Blick war fast klar, und auch sein Geist klärte sich langsam wieder. Nur die Angst, die sich jetzt, da der Anfall von Wahnsinn vorüber war, als Reaktion auf die Ereignisse der letzten Minuten eingestellt hatte – diese Angst wollte nicht weichen. Arctor hatte Angst, wenn er an das dachte, was fast passiert wäre, Angst, schreckliche Angst vor dem lächelnden Barris und seiner Scheiß-Schnupftabakdose und vor dem Irrsinn, der aus seinen Erklärungen und seinen Äußerungen und seinem Verhalten und
    seinen Gewohnheiten und seinen privaten Ritualen und 147
    aus seinem klammheimlichen Kommen und Gehen
    sprach. Und da waren noch der anonyme Telefonanruf, mit dem Robert Arctor bei der Polizei denunziert worden war, und die zusammengefutschelte elektronische Abschirmung, die immerhin gut genug funktioniert hatte, um die Stimme des Anrufers unkenntlich zu machen.
    Und auch dahinter konnte nur Barris stecken.
    Bob Arctor dachte: Der Scheißkerl will mich fertigmachen.
    »Ich hab’ noch nie jemanden so schnell ausflippen sehen wie gerade Bob«, sagte Barris, »aber andererseits –«
    »Bist du jetzt wieder okay, Bob?« sagte Luckman.
    »Wir werden die Kotze wegmachen, keine Sorge. Leg
    dich besser auf den Rücksitz.«
    Er und Barris öffneten gemeinsam die Wagentür; Arc-
    tor, der immer noch ganz betäubt war, stieg unsicher aus.
    Luckman wandte sich an Barris. »Du bleibst also dabei, daß du ihm nichts untergejubelt hast?«
    Barris wedelte protestierend mit den Händen in der
    Luft herum.
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VI
    Item. Was ein Geheimer Rauschgift-Agent am meisten
    fürchtet, ist nicht etwa, daß er erschossen oder zusammengeschlagen wird, sondern daß man ihm einen Hit
    irgendeiner psychedelischen Droge unterjubelt, die bewirkt, daß sich für den Rest seines Lebens ein endloser Horrorfilm in seinem Kopf abspult, oder man ihn mit einem Mex-Hit vollpumpt, der zur Hälfte aus Heroin und zur Hälfte aus Substanz T besteht und manchmal auch aus einer Mischung dieser beiden Drogen plus einem Gift wie etwa Strychnin, das ihn beinahe umbringen wird –
    aber eben nur beinahe, damit er auch ja nicht dem oben-genannten Schicksal entgeht: der lebenslänglichen Sucht, dem lebenslänglichen Horrorfilm. Er wird auf eine Stufe der Existenz absinken, auf der sich sein ganzes Denken nur noch um Nadel und Spritzbesteck dreht, oder er wird wieder gegen die Wände einer Gummizelle in einer psy-chiatrischen Klinik anrennen oder – was am schlimmsten ist – in einer Staatlichen Nervenklinik landen. Er wird Tag und Nacht versuchen, die Blattläuse von sich abzuschütteln oder bis an sein Lebensende darüber nachgrü-
    beln, warum er es nicht länger fertigbringt, einen Fußboden zu bohnern. Und all dies wird man ihm mit voller Absicht antun, weil jemand herausgefunden hat, daß er für die Behörden arbeitet, und ihn dann hinterrücks erwischt hat. Eigentlich auf die naheliegendste und übelste Art, die man sich nur vorstellen konnte: nämlich mit dem Zeug, das diese Leute verkauften und wegen dem der
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    Rauschgift-Agent schließlich hinter ihnen her war.
    Und das, dachte Bob Arctor, während er vorsichtig
    heimfuhr, bedeutet, daß sowohl die Dealer als auch die Rauschgift-Agenten wissen, was die Drogen, die auf den Straßen verkauft werden, dem Menschen antun. Wenigstens ein Punkt, in dem beide Seiten sich einig waren.
    Von einer nahe gelegenen Union-Tankstelle war ein
    Automechaniker zu der Stelle herausgekommen, wo Arctors Wagen stand, hatte den Wagen durchgecheckt und ihn schließlich für dreißig Dollar

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