Der dunkle Thron
ist eine heimliche Papistin, auch deswegen kann Mary auf ihre Unterstützung rechnen. Der König war jedenfalls sehr charmant zu seiner Tochter, als er sie gestern hier empfangen hat. Noch ein wenig distanziert vielleicht, aber charmant. Ich denke, der Rest kommt mit der Zeit.«
Seite an Seite schlenderten sie zum Ausgang. »Ich hoffe so sehr, dass Ihr recht behaltet, Mylord«, sagte Nick. »Sie hat … Schlimmes durchgemacht. Und diese Kapitulation war wirklich bitter für sie. Die schriftliche Erklärung, zu der der König sie gezwungen hat, fühlt sich für sie an, als hätte sie ihre Mutter und den Heiligen Vater verraten.«
Suffolk sah ihn forschend von der Seite an. »Du … kennst sie sehr genau, scheint mir.«
»Was erwartet Ihr?«, gab Nick achselzuckend zurück. »Wir haben in den vergangenen Jahren viel Zeit miteinander verbracht. Wir sind … Na ja, man kann wohl sagen, wir sind zusammen erwachsen geworden.«
»Davon merke ich nicht viel.«
»Ah. Hier kommt die Predigt …«
Suffolk seufzte vernehmlich. »Ich spare meinen Atem.« Sie waren im Innenhof angekommen, an der Stelle, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. »Was hast du jetzt vor, Nick?«
»Nachsehen, was von meinem Leben noch übrig ist, Mylord.« Er verneigte sich vor seinem Paten. »Habt Dank für alles.«
Suffolk winkte ab. »Schon gut. Geh mit Gott. Und reite nicht nach London. Dort ist die Pest ausgebrochen.«
St. Thomas, Juli 1536
Die große Benediktinerabtei lag still und reglos in der wabernden Sommerhitze. Nick ritt im Trab den Pfad entlang, der zwischen gemähten Wiesen zum Haupttor führte. Der reife Weizen leuchtete in sattem Gold auf den Feldern, aber weit und breit war niemand bei der Ernte zu sehen.
Das zweiflügelige Tor stand weit offen. Nick saß trotzdem davor ab und klopfte Orsino den schweißglänzenden Hals, eh er ihn am Zügel nahm und in den Hof führte.
Der Bruder Pförtner kam aus seinem Häuschen gehastet. »Ihr wünscht, Sir?«, fragte er unwillig, so als hätte Nick ihn bei einer wichtigen Verrichtung gestört.
»Ich möchte dem ehrwürdigen Abt meine Aufwartung machen und meine Familie abholen.«
»Und Ihr seid?«
»Waringham.«
»Oh!« Das griesgrämige, schlecht rasierte Gesicht hellte sich auf. »Vergebt mir, Mylord. Seid willkommen in St. Thomas.« Mit weit ausholenden Gesten winkte er einen Knecht herbei. »Hier, Bursche, bring das Pferd seiner Lordschaft in den Stall und versorge es.«
»Sofort, Bruder Paul.«
Während der Junge mit Orsino davonschlurfte, rieb Bruder Paul sich die Hände und lächelte unterwürfig. »Darf ich Euch einstweilen ins Gästehaus führen, Mylord? Der ehrwürdige Abt ist momentan unabkömmlich, aber ich schicke ihm sofort Nachricht, dass Ihr hier seid.«
»Danke, Bruder. Ich finde den Weg allein.«
Nick war ein wenig irritiert über den überschwänglichen Empfang. Eine lange gemeinsame Geschichte verband die Waringham und das Kloster von St. Thomas, und sie war nicht immer ungetrübt gewesen. So mancher Waringham war hier in den letzten zwei-, dreihundert Jahren zur Schule gegangen – vor allem die jüngeren Söhne –, und der eine oder andere war ausgerissen, weil er genug von strenger Klosterzucht und den Schulmeistern hatte. Kein einziger war Mönch geworden, und das hatte einen Abt nach dem anderen vergrellt. Fast jeder Lord Waringham hatte das Kloster in seinem Testament großzügig bedacht, um Abbitte für den entgangenen prestigeträchtigen Nachwuchs zu leisten, doch es hatte nie viel genützt. Die Mönche hatten das Geld immer gern genommen, aber bei jedem Findelkind, das vor ihrer Pforte abgelegt wurde, bezichtigten sie die Waringham, ihnen wieder einmal einen Bastard aufgehalst zu haben – nicht selten zu Recht.
Lange Zeit hatte die Benediktinerabtei zu den reichsten und mächtigsten in Südengland gezählt, doch vor fünfzig Jahren hatte sie einen Großteil ihrer Ländereien in einem Rechtsstreit an den Duke of Bedford verloren. Da dieser Duke of Bedford kein anderer gewesen war als Jasper Tudor, der eine muntere, wenn auch uneheliche Kinderschar mit der berüchtigten Blanche of Waringham in die Welt gesetzt hatte und ein enger Freund der Waringham gewesen war, hatte der damalige Earl keinen Finger gerührt, um dem Kloster bei der Verteidigung seiner Ländereien zu helfen. Der Abt hatte sich gerächt, indem er dafür sorgte, dass keiner der Tudor-Bastarde je bei Hof Karriere machen konnte, denn er ließ König und Lords niemals
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